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Aus vollem Herzen – wenn Frauen stiften

Von Dr. Kirsten Schrick

Agieren Frauen als Stifterinnen anders als Männer? Gibt es eine speziell weibliche Herangehensweise an das Stiften? Ich denke, ja. Als Netzwerk von und für Frauen, die sich auf diese Weise engagieren, ist dies unsere persönliche Erfahrung. Wir haben im Münchener Stifterinnen Netzwerk (MSN) festgestellt, dass uns alle, so unterschiedlich unsere Stiftungen auch sein mögen, eines verbindet: Die Basis unseres Tuns ist ein Herzensanliegen. Wir alle haben nicht aus rein rationalen Beweggründen heraus beschlossen, eine Stiftung zu gründen. Sondern deshalb, weil wir tief in uns ein Bedürfnis gespürt haben, ein Anliegen, das wir auf diese Weise zu erfüllen suchen – ein Herzensanliegen eben. Was genau verstehen wir darunter?

Der Neurologe und erfolgreiche Buchautor Gerald Hüther unterscheidet Anliegen gegenüber Zielen. Anders als ein Ziel, welches man irgendwann erreichen und somit abschließen kann, bietet ein Anliegen langfristig Orientierung für das menschliche Handeln. Wer ein Anliegen hat, nähert sich diesem also über einen langen Zeitraum an und sucht nicht den raschen Erfolg. Genau das ist es, was auch wir Stifterinnen des MSN empfinden. Unser jeweiliges Anliegen kommt von Herzen und ist für jede von uns zutiefst mit unserem persönlichen Sein und unserem Wesen verbunden.

Stiften als Folge von Liebeserfahrungen

Jede einzelne Stiftung ist entstanden aus einem Moment größter Berührtheit. Das macht sie so individuell und so besonders. Möglich ist dies aber nur, wenn man diese Berührtheit auch zulässt. Voraussetzung dafür ist, dem eigenen Herzenskompass zu folgen. Dazu gehört Mut. Mut als eine Dimension des Herzens, lässt sich besonders schön am französischen Wort „courage“ ablesen, in dem der Wortstamm „coeur“ steckt. Die Mitglieder unseres Netzwerks haben diesen Mut bewiesen. Sie haben in sich hineingespürt und entdeckt, was ihr Herz bewegt. Alle Stiftungen in unserem Netzwerk sind die Folge von Liebeserfahrungen: zur Mutter, welche die Tochter über Jahre hin gepflegt hat; zum Lebenspartner, dessen Andenken die Ehefrau nach seinem Tod auf besondere Weise bewahren möchte; zu Kindern und Jugendlichen, denen die Stifterinnen durch Unterstützung eine bessere Zukunftsperspektive ermöglichen wollen.

Was ist unsere Motivation? Jede unserer Stifterinnen verfolgt ein ganz persönliches Anliegen, das sie im Leben stärkt und ihr eine innere Zufriedenheit über den Alltag hinaus beschert. Wir sehen die Arbeit an unseren Stiftungen als ein Ehrenamt im wahrsten Sinne des Wortes: Ein Amt zu Ehren einer besonderen Sache, einer Idee, die uns erfüllt, hinter der wir voll und ganz stehen. Dabei ist allen Mitgliedern unseres Netzwerks gemein der intensiv empfundene Wunsch, dass wir der Gesellschaft, der Polis, in der wir leben, etwas zurückgeben möchten. Wir sind Humanistinnen. Wir mögen Menschen. Außerdem machen wir die Erfahrung, dass wir uns durch unsere Stiftungen selbst noch intensiver wahrnehmen und auch von anderen gesehen werden.

Verbundenheit als leitender Gedanke

Unsere Stiftungen leben aus dem Gedanken der Verbundenheit mit unserer Umwelt heraus. Ebenso wichtig ist uns auch die Verbundenheit untereinander. Der Grundstein für unser Netzwerk MSN wurde vor fünf Jahren hier in Tutzing gelegt. Inzwischen sind wir ein Kreis von sieben Frauen, die sich auch neben ihren verschiedenen Kompetenzen gegenseitig bereichern und ergänzen. Wie vielfältig diese Kompetenzen sind, macht die Breite unserer Stiftungsanliegen deutlich: So geht es beispielsweise Barbara Osterwald mit ihrer Barbos-Stiftung um Hilfe für Kinder mit emotionalen Problemen. Die WIR!-Stiftung von Brigitte Bührlen hilft pflegenden Angehörigen, als Interessensgruppe mehr Gehör zu finden. Die von Susanne Regehr gegründete Doktor-Fritjof-Regehr-Stiftung fördert den Denkmalschutz in und um München. Dr. Klara Goldbach unterstützt mit ihrer Stiftung die Bildung und Erziehung hilfsbedürftiger Menschen, insbesondere Frauen und Mädchen. Die Stiftung für jüdische Studien fördert Stipendiaten aus dem Bereich der judaistischen Wissenschaft; Wiltrud Keitlinghaus hat sie zum Andenken an Professor Dr. Günter Mayer ins Leben gerufen. Dr. Kirsten Schricks TIM-Stiftung „Trust In Myself“ hilft Jugendlichen dabei, ihr Potenzial zu entfalten und zu starken Persönlichkeiten zu reifen; sie unterstützt Mittelschülerinnen und Mittelschüler auf ihrem Weg in ein gelingendes Leben. Die gemeinnützige Stiftung 14-8-14 schließlich, gegründet von Dr. Theresa Leonhardt und Daniel Boos anlässlich ihrer Hochzeit, engagiert sich im Bereich der Jugend- und Altenhilfe, der Entwicklungszusammenarbeit und des Gesundheitswesens. Über neue Mitglieder, die den Kreis unserer Angebote erweitern, freuen wir uns.

Wir Stifterinnen leben und genießen die Gemeinschaft, die uns dieses unser Netzwerk bietet. Die Arbeit an unseren Stiftungen gestalten wir nicht institutionell, sondern bewusst möglichst nahbar und einfach. Es zählt nicht der bloße „Output“-Gedanke, sondern das Geben wollen. Diese Perspektive ist für uns freudvoll, fürsorglich und, ja, auch weiblich. Wir leisten sie uns gewissermaßen als Luxus – weil wir es von Herzen wollen.

Dr. Kirsten Schrick ist Unternehmerin und Mitbegründerin des Münchener Stifterinnen Netzwerks. Mit ihrer TIM-Stiftung (Trust In Myself) möchte sie Schülerinnen und Schülern der Mittelschule dabei helfen, ihr Potenzial zu entfalten und zu starken Persönlichkeiten zu reifen.

Sie spricht am Sonntag, 1. März 2020 auf der Tagung „Die Kraft der Frauen“ an der Evangelischen Akademie Tutzing. Weitere Informationen hier.

Hinweis:
Dieser Blogbeitrag ist zugleich aktuelle Gastkolumne im März-Newsletter der Evangelischen Akademie Tutzing, der am 26. Februar 2020 erscheint. Weitere Informationen hier.

Bild: Kirsten Schrick (Foto: Janine Guldener)

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