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Die Welt steht still, die Jugend engagiert sich virtuell

Reisen, streamen, demonstrieren, mitreden: Noch nie war der Aktionsradius der jungen Generation so groß wie heute. Wie fühlt es sich aber für engagierte junge Menschen an, wenn das öffentliche Leben auf einmal stillsteht? Stella Imo (17) ist Schülerin und im Mentoringprogramm des „Zukunfts-Labs“ im Jungen Forum der Evangelischen Akademie Tutzing. Hier erzählt sie, wie es ihr geht und wie sie sich nun auf digitalem Wege engagiert.

 

von Stella Imo

Die Welt steht still. Dies merke ich nicht nur daran, dass ich nicht mehr zur Schule gehen und meine Freundinnen und Freunde treffen kann, sondern auch – was mich am meisten trifft ­­–  daran, dass nach und nach alle Veranstaltungen der kommenden Monate abgesagt werden. Und dazu kommt meine Sorge um die Gesellschaft als Ganzes und unser aller Gesundheit.

Vor ein paar Jahren habe ich begonnen meinen Horizont zu erweitern, indem ich angefangen habe, verschiedene Veranstaltungen für Jugendliche zu besuchen um mich so außerhalb der Schule weiterbilden zu können, Neues zu entdecken und neue Menschen kennenzulernen. Schule alleine reichte mir dafür nicht mehr aus.

Ich entdeckte die Evangelische Akademie Tutzing, worüber ich sehr dankbar bin. Durch etliche Veranstaltungen, sei es zum Thema Jugend und Europa, über die Möglichkeiten nach dem Abitur, und vieles mehr, tauchte ich in eine komplett neue Welt ein. Ich konnte gar nicht genug bekommen von Veranstaltungen, Vorträgen und Workshops des Jungen Forums der Akademie. Mittlerweile bin ich sogar dabei, mit anderen Jugendlichen und der Studienleiterin Julia Wunderlich eine eigene Veranstaltung, das „Zukunfts-Lab“ über Digitalisierung, Ethik und Umweltpolitik, für den Sommer 2020 mitzugestalten.

Ich fand eine neue Leidenschaft. Durch die Akademie und die Referentin Esther Spicker von der Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa, die ich auf der Tagung „Junges Europa“ traf, lernte ich weitere Möglichkeiten kennen, zu einer aktiven Bürgerin zu werden: wie etwa das EYP, das European Youth Parliament. Hier kommen Jugendliche zu verschiedensten Veranstaltungen in ganz Europa zusammen, bilden Teams, diskutieren miteinander und versuchen gemeinsam Lösungen für aktuelle Probleme zu finden. Darin habe ich eine weitere Leidenschaft entdeckt, die mich zu hundert Prozent erfüllt. Ich fand Gleichgesinnte, mit denen ich Meinungen austauschen und das Europäische Parlament nachsimulieren konnte.

Das Organisationsteam sagte uns zu Beginn: „Hier kommt man als Fremder und geht als Teil der Familie.“ Da kann ich nicht widersprechen. Hätte mich jemand vor einem Monat nach meinen Plänen für die nächste Zeit gefragt, wäre ich gar nicht fertig geworden mit dem Aufzählen: Hier für das Abitur lernen, dort EYP-Sessions besuchen, wie zum Beispiel in Luxemburg, da das Zukunfts-Lab planen, dort an Veranstaltungen des Jungen Forums der Evangelischen Akademie Tutzing teilnehmen, hier ein Startup-Weekend besuchen, dort … ich könnte ewig fortfahren.

Ich hatte mich gefreut auf all die tollen Sachen, die mich erfüllen. Doch dann kam das Virus. Eine Veranstaltung nach der anderen wurde abgesagt. Alles steht still. So sehr eingeschränkt von einem unsichtbaren Feind zu werden, traf mich hart. Und natürlich ist diese Phase der sozialen Isolation gerade absolut richtig und für uns alle in Solidarität wichtig und steht an erster Stelle, das ist ja klar. Doch ich versuche dennoch mit meinem Engagement weiter zu machen – im Rahmen der aktuellen Möglichkeiten, also vor allem online. Das EYP organisiert eine viertägige Online-Session mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus ganz Europa. Vier Tage lang vor dem Computer sitzen. Klingt langweilig? Ist es aber nicht! Natürlich sitzt man nicht den ganzen Tag vor dem Bildschirm und muss langweiligen Vorträgen zuhören, ganz im Gegenteil! Man ist im ständigen Austausch mit anderen, es werden Morgensport, Workshops und andere spannende Programme angeboten.

Auch die Evangelische Akademie Tutzing hat jetzt eine Digitaltagung veranstaltet. Bei „Meet online & be creative“ am 5. April war ich natürlich virtuell dabei. In diesen Zeiten wird so viel Neues ausprobiert, die Menschen rücken näher zusammen und dabei kommen tolle Sachen zustande, finde ich. Ich habe Zeit, kreativ und innovativ zu sein.

Genauso müssen wir bei der Planung des Zukunft-Labs der Akademie anfangen neu zu denken. Auf die konventionelle analoge Art wird es wohl nicht funktionieren. Zu viele Referierende, Teilnehmerinnen und Teilnehmer sagen gerade ab. Wieso nicht auch dieses Format online gestalten? Es gibt so viele Möglichkeiten, die das Internet bietet. Momentan boomen die verschiedensten Lösungen für Videokonferenzen und Plattformen für Meetings, auf denen man sich in Teams untereinander austauschen kann. Vor einer Woche hat genau auf diese Art und Weise der bisher weltweit größte Hackathon #WirVsVirus der Bundesregierung  stattgefunden. 42.000 Bürgerinnen und Bürger sowie Expertinnen und Experten aus der digitalen Welt haben sich in Gruppen zu Themen wie e-Learning, e-Sport, etc. Gedanken gemacht und versucht, Lösungen für verschiedenste Probleme der aktuellen Pandemie zu finden. Es entstanden 1.200 Ideen, die nun via Crowdfunding umgesetzt werden sollen.

Masterpläne, Apps, Vorschläge für die Regierung – die  Leute wurden kreativ und setzten sich ein, die Gesellschaft zu verbessern. Wir sind also nicht zur Untätigkeit verdonnert. Es gibt so viel zu tun! Neue Wege warten darauf, entdeckt zu werden, um sich mit neuen Menschen zu verbinden, sich zu engagieren und ein aktiver Teil der Gesellschaft zu sein. Vielleicht werde ich darin meine neue Leidenschaft finden.

 

Bild: Stella Imo (Foto: Matthias Imo)

 

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