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Medium und Faktor für die öffentliche und individuelle Meinungsbildung

Fragmentierung und Pluralisierung, “zeitsouveräne” Mediennutzung, Konzentrations- und Monopolisierungstendenzen auf dem Medienmarkt und hohe Ansprüche an technische Qualität und inhaltliche Verantwortung – das sind die großen Herausforderungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Christine Strobl, Programmdirektorin der ARD, will mit einer umfassenden Programmreform in die Offensive gehen. Was das im Einzelnen bedeutet, beschreibt sie in diesem Beitrag.

Von Christine Strobl

“Für die Menschen. Für die Gesellschaft” – so haben wir unsere im November letzten Jahres veröffentlichte Selbstverpflichtung überschrieben. Das Hauptziel unserer ARD-Programmreform: Ein Programm für alle zu machen, das im Sinne unseres gesetzlichen Auftrags die gesamte Gesellschaft erreicht. Für die Strategie der kommenden Jahre sind zwei Fragen entscheidend: Erstens – wie nutzen die Menschen Medien im Einzelnen? Und zweitens – mit welchen programmlichen Inhalten und Angeboten erreichen wir alle Bevölkerungsgruppen im Sinne unseres Auftrags?

Seit den 2000er Jahren hat sich mit der Digitalisierung die Mediennutzung massiv verändert. Während die erste ARD/ZDF-Onlinestudie von 1997 die Early Adopter des Internets noch mit vier Mio. Menschen bzw. sieben Prozent bezifferte, machen die Streamer, die sich Inhalte zeitsouverän in Mediatheken, auf Netflix und YouTube ansehen, über alle Altersgruppen hinweg in der aktuellen Studie aus dem vergangenen Jahr 67 Mio. bzw. 94 Prozent aus. Zwar prognostizieren MedienforscherInnen mittelfristig eine stabile lineare Mediennutzung. Grund hierfür ist neben der Faszination von Liveübertragungen bei Sport, fiktionalen Filmen und Serien, täglicher Unterhaltung oder akuten Nachrichtenlagen der weiterhin steigende lineare Medienkonsum vor allem bei älteren Zielgruppen. Trotzdem droht mit einer zunehmend divergierenden Mediennutzung der verschiedenen Altersgruppen langfristig ein Generationenabbruch: Während alle Altersgruppen in Deutschland im Durchschnitt etwas über zwei Stunden das Internet für Medien nutzen, sind es laut aktueller ARD/ZDF-Onlinestudie bei den 14-29-Jährigen 4,5 Stunden pro Tag. Die non-lineare Nutzung von Filmen und Dokumentationen und Nachrichten steigt von Jahr zu Jahr, bei den 14- bis 29-Jährigen entfallen bereits 78 Prozent der Bewegtbildnutzung auf non-lineare Inhalte. Selbst in den Generationen 50+ ist der Anteil dieser zeitsouveränen Nutzung auch während der Pandemie weiter gestiegen, auf aktuell 37 Prozent. Mit unseren klassischen linearen TV-Angeboten gelingt es uns regelmäßig, Millionen von Menschen gleichzeitig zu versammeln und mit unserem vorgeschlagenen Programmangebot zu binden. Dennoch brennt das Lagerfeuer Fernsehen, jedenfalls flächendeckend und bei allen Bevölkerungs- und Altersgruppen, nicht mehr so hell wie früher.

Der Trend der Fragmentierung und Pluralisierung der Nachfrage hat Folgen für alle Medien – aber auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Private Medien und Streamer können ihre werberelevanten Zielgruppen bzw. ihre zahlungswilligen Abonnenten selektiv ansprechen. Demgegenüber haben ARD und ZDF den gesetzlichen Auftrag, die gesamte Gesellschaft zu erreichen. Die Aufspaltung in viele einzelne, voneinander getrennte NutzerInnen-Gruppen kann langfristig nur gelingen, wenn wir in Summe eine Mehrheit erreichen. Es war ein wichtiges Signal, dass das Bundesverfassungsgericht zuletzt 2021 einen umfassenden Auftrag für ARD und ZDF klar bestätigt hat: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist auch im Netz mehr denn je notwendig, denn er ist ein „vielfaltssicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht“ nicht nur zu den privaten Rundfunkveranstaltern, sondern auch zu Plattformanbietern und Streamern. Den Richtern zufolge fördern die Digitalisierung der Medien und die Plattformökonomie Konzentrations- und Monopolisierungstendenzen bei Anbietern, Verbreitern und Vermittlern von Inhalten. Nach dem Votum des Bundesverfassungsgerichts ist das freie Spiel der Marktkräfte nicht ausreichend für unsere Gesellschaft. In der Selbstgewissheit, dass wir „demokratierelevant“ sind, können wir uns allerdings nicht ausruhen. Das Mediennutzungsverhalten bedeutet konkret, dass jüngere NutzerInnen mehr Zeit mit Netflix, Amazon und Disney+ verbringen als mit unseren Inhalten und Angeboten – und das mit steigender Tendenz.

Veränderte Mediennutzung und die Ableitung entsprechender Strategien ist kein deutsches Phänomen. Wir stehen mit anderen öffentlich-rechtlichen Sendern über die Europäische Rundfunkunion (EBU) in Austausch und lernen voneinander. Wie positionieren sich andere öffentlich-rechtliche Medienunternehmen in Europa und den USA?

Seit die britische Aufsichtsbehörde der BBC 2019 bescheinigte, dass die unter 24-Jährigen mehrheitlich nicht mehr BBC-Programme, sondern Angebote im Netz nutzen, ist in Großbritannien von einer “verlorenen Generation” die Rede. Die BBC hat daraufhin die Weichen konsequent neu gestellt. In ihrer Unternehmensstrategie misst die BBC beispielsweise welche “high impact”-Inhalte für alle Zielgruppen (linear und on demand) die BBC produzieren müsste, wenn nur noch 80 Prozent der Mittel bereitstünden – und welche entfallen sollten. Interessant für die föderale ARD: In dem Plan “BBC across the UK” ist eine Verlagerung von Unternehmensteilen aus Greater London in die Regionen geplant. Bemerkenswert außerdem: Lineares Fernsehen steht auch in Großbritannien nicht automatisch für Zielgruppen 50+. Mit dem Jugendangebot BBC Three (Zielgruppe sind die 16 bis 34-Jährigen), das vor einigen Jahren zu einem reinen Online-Angebot wurde, hat die BBC seit dem vergangenen Jahr einen linearen Kanal wiederbelebt – nach eigenen Angaben, um jungen Formaten einen festen Ausspielweg zu garantieren, aber auch weil Eventprogramme wie “DragRace UK” seit Jahren Woche für Woche selbst im iPlayer mehrere Millionen treue ZuschauerInnen versammelt haben.

In Frankreich hat France Télévisions mit “CultureBox” im vergangenen Jahr ein tägliches Online-Live-Angebot gestartet und schafft kulturelle Events im Netz. Wegen der drückenden Dominanz der Streamer auch in Frankreich interessant: FTV hat Ende 2020 gemeinsam mit privaten Anbietern die kommerzielle Streaming-Plattform “Salto” geschaffen. Allerdings wurde das Ziel, bis Ende 2021 300.000 Abonnenten zu erreichen, verfehlt. Die Plattform hat zu wenig Exklusivinhalte, um den Streamern echte Konkurrenz zu machen.

Interessant ist außerdem die Strategie des Wallonisch-Belgischen Rundfunks: RTBF hat Anfang des Jahres angekündigt, den Anteil des Programmbudgets von derzeit 8 Prozent on demand bis 2027 auf immerhin 19 Prozent zu steigern. Die Priorisierung auf non-linearen Formate für jüngere Eroberungszielgruppen steht bei “RTBF 27” also auch in Belgien auf der Agenda weit oben.

Auch unsere Schweizer Nachbarn haben eine Programmreform angestoßen: Nach dem überstandenen No Billag-Referendum 2018 hat der Schweizer Rundfunk SRG angekündigt, 100 Mio. Franken im Gesamtetat einzusparen und davon ein Fünftel in digitale Projekte zu reinvestieren. Ein wesentliches Projekt war die Gründung der Streaming-Plattform “Play Suisse” 2020. Die SRG spielt ihre (fiktionalen) Inhalte für die gesamte Schweiz, d.h. aus allen Regionen und in allen Landesprachen, erstmals auf einer einzigen Plattform mit mehrsprachiger Untertitelung aus. Ein Fokus liegt – ähnlich unserem Ansatz – bei Neuproduktionen auf der Repertoirefähigkeit für die Mediathek. Für die “kleine” Schweiz ist besonders wichtig, was auch für uns gilt: Gegenüber den Streamern setzt SRG auf Inhalte mit nationalem Bezug, um sich gegenüber globalen Hits von Netflix, Amazon oder Disney abzugrenzen. Nach einem Jahr im Markt liegt die Plattform mittlerweile auf Platz zwei der meistgenutzten Streaming-Plattformen der Schweiz, zwar weit hinter Netflix, aber immerhin schon vor Apple TV+ oder Amazon Prime Video.

Wohin sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk entwickeln kann, wenn man nicht rechtzeitig gegensteuert und nicht die Voraussetzungen hat, dies zu tun, sehen wir seit vielen Jahren in den USA: Der Senderverbund Public Broadcasting Service (PBS) ist dort längst in einer Nische. Formate wie die “News Hour” und “Frontline” mit Dokumentationen zu “America’s Great Divide”, zu Trumps Politik oder aktuell zum Aufstieg von Putin finden zwar ab und an in Europa eine Fangemeinde. Gegenüber den kommerzgetriebenen, teils ideologisch gefärbten Angeboten von Rupert Murdochs Fox und den großen drei Networks ABC, CBS und NBC verschwindet PBS mit winzigen Marktanteilen allerdings fast in der Bedeutungslosigkeit. Wenn am Ende selbst Nachrichtenangebote durch die Interessen von Milliardenkonzernen bestimmt werden, hat dies dramatische Folgen für den gesellschaftlichen Diskurs. Besonders erschreckend: Je nach “passendem” TV-Angebot werden einschneidende Ereignisse wie der Sturm auf das Kapitol und die letzte US-Wahl nur noch aus der jeweiligen politischen Sicht der Anbieter wahrgenommen. Weil es kaum mehr objektive und wirtschaftlich wie politisch unabhängige Medien gibt, die eine Mehrheit der Bevölkerung erreichen, gibt es auch keine integrierende Wirkung von Medien mehr. Jeder legt sich eine passende Wahrheit zurecht, umgibt sich mit Gleichdenkenden – was letzten Endes die Spaltung der Gesellschaft vertieft.

Dieser Gefahr, nicht mehr in der Mitte der Gesellschaft verankert zu sein, stellen wir uns auch mit der ARD-Programmreform. Unser Schwerpunkt für die nächsten Jahre: Wir entwickeln unsere programmlichen Inhalte und Angebote weiter, sodass die ARD zu einem Inhalte-Netzwerk für alle in unserem Land wird. Unsere Mediathek ist nicht mehr reines Anhängsel des linearen Programms, die als Videothek für verpasste Sendungen dient. Um alle Bevölkerungsgruppen zu erreichen, ist sie ein eigenständiges Programmangebot, das gleichwertig zum linearen Fernsehen zu betrachten ist.

Eine besondere Herausforderung ist derzeit die Finanzierung. Um bei jungen NutzerInnen den Wandel hin zur Streaming-Nutzung im internationalen Vergleich abzubilden, produzieren wir entsprechende Inhalte und bauen unsere digitalen Angebote auch technisch aus. Außerdem investieren wir in die Distribution, damit unsere Programme unsere Zielgruppen tatsächlich auch erreichen, zum Teil auch auf Drittplattformen wie YouTube, Facebook und TikTok. Unser Ziel ist es, die User auch dort anzusprechen und zu unseren non-linearen Angeboten zurückzuführen. Weil weite Teile unseres Publikums aber immer noch lineares Fernsehen nutzen, investieren wir zugleich auch weiter in starke Inhalte für unser lineares Programm. Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) hat uns bei der letzten Anmeldung aufgegeben, den digitalen Umbau erstmal durch Umschichtungen aus dem Bestand zu stemmen. Wir haben keine zusätzlichen Mittel für den Umbau der ARD Mediathek und die flächendeckende digitale Verbreitung bekommen. Gleichzeitig haben sich die finanziellen Möglichkeiten der großen internationalen Konzerne, in Deutschland ihr Angebot auszubauen, dramatisch verstärkt, der Konkurrenzdruck für eigenes Angebot wird also größer. Nachdem inzwischen klar ist, dass wir für einen längeren Zeitraum weiterhin beide Ausspielwege mit unterschiedlichen Anforderungen an Produkt, Verbreitung und Inhalt bedienen müssen, um die ganze Bevölkerung zu erreichen und damit unserer Bedeutung für die demokratische Willensbildung und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft nachkommen zu können, sollten wir gegenüber der KEF und den Länderparlamenten die entsprechende finanzielle Ausstattung anmelden. Unser Hauptziel in der Programmreform ist es ja, Programme für alle Menschen, für die gesamte Gesellschaft anzubieten. Anders als kommerzielle Sender und Streamer können wir uns nicht auf bestimmte Zielgruppen beschränken und einen Teil der Gesellschaft außen vorlassen.

Ende 2021 haben wir eine Selbstverpflichtung veröffentlicht, die das Ziel erklärt, überzeugende Gemeinschaftsangebote für alle Menschen anzubieten. Unsere Programmreform geht davon aus, dass es nicht mehr ein Programm für alle gibt, sondern dass es diverse Programme für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen geben muss. Um unser Ziel Schritt für Schritt zu erreichen und um uns an unseren Zielen messen zu lassen, haben wir Zielvorgaben als Leitlinien formuliert.

Darin nehmen wir uns zum Beispiel vor, dass wir die ARD nicht mehr so sehr als Senderverbund, sondern als Inhalte-Netzwerk verstehen. Das heißt ganz konkret, dass wir in allen Landesrundfunkanstalten Inhalte, Erfahrungen, Wissen und Ressourcen bündeln und die reiche Vielfalt unser regionalen Verankerung auf allen Ausspielwegen abbilden. Alle Landesrundfunkanstalten der ARD haben sich Ende 2021 dazu verpflichtet, nicht nur für das gemeinschaftliche Programm Erstes Deutsches Fernsehen, sondern auch für die ARD Mediathek Inhalte unterschiedlicher Genres nach verbindlichen Mengenkatalogen zu liefern. Außerdem haben wir ein Qualitätsmanagement geschaffen, für das wir Erfolgskriterien für lineare Sendeplätze und vor allem auch für die Mediatheken-Nutzung neu definieren. Über die Zielerreichung legen wir jeweils im Folgejahr gegenüber Gremien und Öffentlichkeit Rechenschaft ab.

Eine weitere Leitlinie dient unserem Ziel, Inhalte für alle Bevölkerungsgruppen zu machen, wir bauen unsere Formate zielgruppenspezifisch aus. Wir investieren vor allem in Angebote für Gruppen, die wir für uns erst noch gewinnen müssen. Konkret verknüpfen wir unsere Programmplanung mit dem strategischen Ansatz, „Angebote für alle Menschen“ zu schaffen. Dabei gehen wir verstärkt auch an Stoffe und Themen, die ganz gezielt ein jüngeres und diverses Publikum ansprechen. Bei Formaten speziell für jüngere NutzerInnen setzen wir bewusst Schwerpunkte und drehen die bisherige Logik des “linear first” um: Fiktionale Serien wie “All You Need”, “Beforeigners” oder “Nazijäger – Reise in die Finsternis” haben wir gezielt für die Mediathek in Auftrag gegeben oder beschafft.

Ein weiteres Ziel betrifft Vielfalt: Wo immer wir neue Angebote und Formate auch für die Mediathek planen, nehmen wir uns vor, die Bevölkerung in ihrer Vielfalt abzubilden. Es geht darum, unterschiedliche Meinungen und Perspektiven abzubilden. Wir müssen den bei uns bisher eher unterrepräsentierten Bevölkerungsgruppen mit ihrer jeweiligen Lebensperspektive mehr Raum geben und dadurch Menschen mit unterschiedlichen Prägungen wieder mehr ins Gespräch bringen. Beispielhaft genannt sei “Wie Gott uns schuf” über Coming-out in der katholischen Kirche, das in den sozialen Medien, aber auch in der Mediathek eine große Rolle gespielt hat, aber eben auch der klassische Gottesdienst an Ostern oder das Singen von Adventsliedern im Ersten. Auch der Umbau am Sonntag im Ersten dient diesem Ziel. Es geht im Kern darum, Themen mit dem Blick aus der Welt der nationalen Perspektive gegenüber zu stellen und so den internationalen Blick wieder ins Zentrum des Interesses zu führen. Seit Januar bilden deshalb der “Bericht aus Berlin” und der “Weltspiegel” einen 75-minütigen Informationsschwerpunkt, der dieser Verschränkung der nationalen und der internationalen Perspektive dient. Auch in der Sportberichterstattung wollen wir einerseits die Emotionen, die Begeisterung für große sportliche Leistungen, den fairen Wettkampf zu Nutzern und ZuschauerInnen transportieren, immer wichtiger wird aber auch die kritische Berichterstattung über Gigantismus der Sportverbände oder Grenzen überschreitende Kommerzialisierung, wie wir sie zuletzt bei den Olympischen Spielen erlebt haben. Der Montagabend unmittelbar vor Beginn der Olympischen Winterspiele in Peking (31.01.2022) steht hier beispielhaft dafür, wie wir künftig solche sportlichen Großereignisse auch betrachten wollen. Erst gehen wir mit Felix Neureuther aus Sportlersicht auf kritische Spurensuchen gegenüber IOC und China, dann kommen bei “hart aber fair” unterschiedliche Haltungen zur Diskussion und nach den “Tagesthemen” schließt sich dann mit “China inside” eine Dokumentation unserer KorrespondentInnen aus China an. Der Erfolg bei den ZuschauerInnen und Nutzern gibt uns recht.

Zudem geht es bei unserer Programmreform um Orientierung: Wir investieren verstärkt in Informationsangebote, um Menschen in der Fülle von Information und Desinformation bei der sicheren Orientierung im Alltag zu helfen. Dazu gehören die Bündelung aller Nachrichtenangebote in der ARD Mediathek unter unserer bekanntesten Marke “Tagesschau” sowie die Weiterentwicklung unserer Wissensangebote, um die großen Fragen unserer Zeit informativ und unterhaltsam für alle Menschen aufzubereiten. Einen Schwerpunkt setzen wir dabei auf breit angelegte, sorgfältige Recherchen und investigative Dokumentationen. Um die Auffindbarkeit von Investigativem sicherzustellen, schaffen wir in der Mediathek ein regelmäßiges verlässliches Angebot. Wir gehen mit Dokumentationen in der ARD Mediathek dabei bewusst auch neue Wege und setzen auf serielle Doku-Angebote wie “Kevin Kühnert und die SPD” sowie “Charité intensiv”, die dort ihre Nutzerschaft mit über zwei Millionen Abrufen finden, auch wenn diese Angebote im klassischen Fernsehen weniger eine Rolle spielen.

Zu guter Letzt wollen wir uns an unserem Anspruch messen lassen, für alle NutzerInnen Exzellenz erlebbar zu machen, sowohl beim Nutzungserlebnis als auch inhaltlich. Technisch ist die digitale Produktentwicklung ein integrativer Bestandteil unserer Programmstrategie. Neben der steten Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit unserer Produktoberflächen stärken wir die plattform- und angebotsübergreifende Führung der NutzerInnen durch unsere Programmwelten. Die globalen Streamer haben in der digitalen Inhalte-Produktion Maßstäbe gesetzt, denen wir uns auch in der Qualität unserer digitalen Produkte stellen. Auch programmlich stärken wir die Qualität unserer Angebote, insbesondere im Dokumentarischen, der Comedy und nicht zuletzt im Fiktionalen. So schaffen wir eine Reihe von Serienangeboten speziell für jüngere ZuschauerInnen, die sich in der Machart an internationalen Standards orientieren. In unserer Serienoffensive entwickeln wir aus Deutschland heraus hochwertige fiktionale Formate – quasi ARD Originals –, die wie “Babylon Berlin”, “Unsere wunderbaren Jahre”, “Oktoberfest 1900”, “Das Geheimnis des Totenwaldes”, “Die Toten von Marnow” oder “Charité” das deutsche Publikum auf allen Ausspielwegen überzeugen können und für die ARD ein starkes Image für überzeugende Serienangebote transportieren.

Seit dem Start unserer Programmreform im vergangenen Jahr haben wir bereits einiges erreicht: Der tägliche Nutzerkreis der Mediathek erhöhte sich um mehr als 60 Prozent von 2020 auf 2021 auf 1,85 Millionen NutzerInnen. Unsere Mediathek verzeichnet damit die größte Reichweite aller Streaming-Portale der deutschen Fernsehsender, auf Augenhöhe mit der ZDF Mediathek und weit vor RTL+ oder vergleichbaren Angeboten der privaten Konkurrenz.

Und dennoch können wir uns auf diesem Erfolg überhaupt nicht ausruhen. Es liegt noch viel Arbeit vor uns. Aber gerade die aktuellen Ereignisse zeigen, dass Krieg und Pandemien längst auch den Kampf um die Informationshoheit mit sich bringen. Nur mit einem inhaltlich breit aufgestellten, diversen, wirtschaftlich unabhängigen und staatsfernen öffentlich-rechtlichen Rundfunk und einem Auftrag, der Bildung, Information, Beratung, Kultur und auch Unterhaltung und Sport umfasst, sind wir fest in der Mitte der Gesellschaft verankert und werden alle Menschen in unserer Gesellschaft erreichen können. Und nur wenn wir das schaffen und dieser Verantwortung gerecht werden, bleiben wir dauerhaft relevant und können nach der bekannten Formel des Bundesverfassungsgerichts einer demokratischen Mehrheitsgesellschaft als “Medium und Faktor für die öffentliche und individuelle Meinungsbildung” dienen. Mit unserer Programmreform kommen wir diesem Ziel näher. Wenn wir die dort verankerten Ziele erfolgreich umsetzen, dann sichern wir damit nicht nur die Zukunfts- und Funktionsfähigkeit unseres öffentlich-rechtlichen Systems, sondern schaffen Mehrwert für alle und fördern den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.

 

Zur Autorin:
Christine Strobl ist seit Mai 2021 ARD-Programmdirektorin. In dieser Funktion ist sie für das ARD-Gemeinschaftsprogramm Das Erste und die ARD Mediathek verantwortlich. Die ARD-Programmdirektorin ist zugleich Vorsitzende der ständigen Videoprogrammkonferenz (VPK). Unter ihrem Vorsitz koordinieren die Intendantinnen und Intendanten, bzw. die Programmdirektorinnen und -direktoren der Landesrundfunkanstalten Das Erste und die ARD Mediathek.
Christine Strobl ist darüber hinaus Mitglied im Aufsichtsrat der ARD Degeto sowie der SportA, der gemeinsamen Sportrechte-Agentur von ARD und ZDF.

 

Hinweis:
Dieser Beitrag ist zugleich Gastkolumne im Juni-Newsletter der Evangelischen Akademie Tutzing.
Mehr dazu hier.

 

Bild: Christine Strobl (Foto: © ARD/Laurence Chaperon)

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1 Kommentar

  1. Peter Weger says:

    Herzlichen Dank für die Einordnung ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen viel Erfolg bei der Umsetzung.

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