Die Fridays For Future-Bewegung gibt jungen Menschen Hoffnung – und Mut, sich ebenfalls für die Gesellschaft ins Zeug zu legen. Doch was bringt Jugendliche dazu, sich politisch zu engagieren? In diesem Blogbeitrag beschreibt Jugendbotschafterin Lena Seelig ihren “Erweckungsmoment”, ihre Motivation und Wege zu mehr Jugendengagement.
von Lena Seelig
“Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt!” – Mahatma Gandhi
“Privilegien bedeuten Verantwortung”, ein Zitat von Vincent-Immanuel Herr auf der Tagung “Junges Europa” im Jungen Forum in der Evangelischen Akademie Tutzing im Oktober 2019.
In Deutschland geboren zu sein, behütet und in Frieden aufzuwachsen, in die Schule zu gehen, im Ausland zu studieren und meine berufliche Karriere selber bestimmen zu dürfen. All das sind Privilegien, mit denen ich lebe, weil ich Glück habe. Glück, nicht einer von über 82 Millionen Menschen auf der Flucht zu sein. Glück, nicht wie jeder zehnte Mensch auf der Welt hungern zu müssen. Ich habe dieses Glück mein ganzes Leben als selbstverständlich hingenommen, denn um mich herum schien jeder und jede Glück zu haben.
Auf der Tagung im Oktober 2019 wurde mir jedoch klar: Die Privilegien, die ich habe, bedeuten Verantwortung für diejenigen Menschen, die von diesen Privilegien nur träumen können. Seitdem reicht es für mich nicht mehr, meinen Alltag zu leben und weiterhin so zu tun, als ob all die Probleme in unserer Welt nicht existierten. Wir können nicht mehr die Augen vor der Klimakrise verschließen, nicht mehr zusehen, wie Menschenrechte verachtet werden und nicht mehr akzeptieren, dass alles so bleibt, wie es ist, nur weil es unwahrscheinlich erscheint, wirklich etwas zu verändern. Ich habe Verantwortung für mich, für meine Mitmenschen und für unsere Umwelt. Ich möchte nicht nur darauf warten, bis sich etwas verändert, sondern selbst die Veränderung zu sein.
Das Junge Forum der Akademie als ein Ort der Energie
Ein Moment, der einem die Augen öffnet, ist etwas ganz Besonderes. Der Moment, den ich eben geschildert habe, hat meine persönliche Einstellung zum Leben geändert. Dieses Umdenken habe ich den Tagungen und Workshops im Jungen Forum der Evangelischen Akademie Tutzing zu verdanken. Für mich ist das ein ganz besonderer Ort der Begegnung, in dem man lernt, an sich und an anderen zu wachsen. Hier kommen interessierte, engagierte und inspirierende Menschen zusammen, die alle etwas gemeinsam haben: Sie wollen unsere Gesellschaft mitgestalten. Das Tagungsformat „Zukunfts-Lab“ haben junge Menschen mitgeleitet und es war so inspirierend, mit anderen Jugendlichen über Umweltpolitik, Ethik und Digitalität zu diskutieren und zu überlegen, was wir tun können. Es sind vor allem diese Begegnungen mit anderen engagierten Jugendlichen, die mich jedes Mal aufs Neue inspirieren und dazu motivieren, mich einzubringen. Denn besonders die Jugend ist es, die meiner Meinung nach die Welt verändern kann!
Die Welt verändern
Was die Jugend bewegen kann, sehen wir an der FridaysForFuture-Bewegung. Begonnen von einem jungen Mädchen, wurde diese Bewegung von Millionen von Jugendlichen vorangetrieben und hat das Thema Nachhaltigkeit in der Wahrnehmung unserer Gesellschaft maßgeblich verändert. Damit sage ich nicht, dass genug passiert ist, um den Klimawandel weltweit aufzuhalten, eher das Gegenteil ist der Fall. Trotzdem sehen wir, welche Kraft, Energie und enormen Chancen junge Menschen haben, die Welt zu verändern
Meine Forderungen
Leider sind Jugendliche in unserer Politik deutlich unterrepräsentiert. Junge Menschen in Deutschland zwischen 15 und 24 Jahren stellen 10,3 Prozent der Gesamtbevölkerung dar. Erschreckend ist, dass sich zwei Drittel von ihnen von der Bundesregierung nicht repräsentiert fühlen. Das ist kein Wunder: Die Mitglieder des deutschen Bundestags haben ein Durchschnittsalter von 49,4 Jahren.
Was brauchen wir also, um die jugendpolitische Stimme nachhaltig zu stärken? Zuallererst sollte das Wahlalter bundesweit auf 16 Jahre herabgesetzt werden. So erreichen wir mehr politische Repräsentation und geben jungen Menschen eine Stimme.
Außerdem brauchen wir mehr Möglichkeiten des Engagements, die von der Politik wahrgenommen werden. Überall, wo es politische Gremien gibt, sollte es ein Jugendparlament geben, das mit Politiker:innen in Kontakt tritt und diese aktiv berät.
Passend dazu ist es besonders wichtig, dass es einen intergenerationellen Austausch gibt. Denn wie wollen wir Probleme lösen, die die gesamte Gesellschaft betreffen, ohne miteinander zu reden?
Zuguterletzt ist es meiner Meinung nach essenziell, dass in Schulen mehr politische Bildung angeboten wird. 45,5 Prozent der Jugendlichen wissen nicht, wo sie sich freiwillig engagieren können. Schulen spielen hierbei eine besonders wichtige Rolle: Lehrer:innen sind die Hauptinformationsquelle für Schüler:innen. Schulen müssen also mehr über jugendpolitisches Engagement aufklären, um mehr jungen Menschen den Zugang zum Engagement zu ermöglichen. Wenn es um Zukunft geht, dann sollte es vor allem die Jugend sein, die unsere Welt mitgestaltet!
Der bayrische Landesschülersprecher Moritz Meusel formuliert es äußerst passend: “Viele der heutigen Probleme und Krisen werden noch über Generationen anhalten. Wer also, wenn nicht wir, sollte an deren Lösungen beteiligt sein?”
Deine Verantwortung – deine Veränderung
Ein einzelner Mensch wird sicherlich nicht alle Probleme dieser Welt lösen können. Aber darum geht es auch nicht. Es geht darum, für das, was einem persönlich wichtig ist, Verantwortung zu übernehmen. Genau aus diesem Grund sollten wir uns alle über unsere Werte bewusst werden. Was ist es, was uns besonders wichtig ist? Für die 20-jährige Paula, Politikwissenschaftsstudentin und Gründerin von youmocracy, ist es der Klimaschutz: “Ich denke oft über die Welt nach und es gibt vor allem jetzt in der Klimakrise so viel, was wir besser machen können. Mich gemeinsam mit anderen jungen Menschen aktiv für mehr Klimagerechtigkeit einzusetzen, gibt mir viel Zuversicht und Hoffnung, denn ich glaube fest daran: Zusammen können wir eine bessere Zukunft schaffen!”
Die Jugend hat ein enormes Potenzial mit viel Energie, neuen Ideen und Durchhaltevermögen, die Probleme unserer Gesellschaft zu lösen. Marianne, politische Aktivistin und Abiturientin, sagt dazu: “Jeder und jede Einzelne von uns hat Überzeugungen und Interessen. Ich kann jeden dazu ermutigen, sich für das einzusetzen, was einem am Herzen liegt, denn: ‘Ten people who speak make more noise than ten thousand people who are silent!'”
Also, steht auf, seid laut und verändert die Welt!
Die Autorin ist Jugendbotschafterin der Evangelischen Akademie Tutzing.
Bild: Lena Seelig, Jugendbotschafterin Evangelisch Akademie Tutzing (Foto: ma/eat archiv)
Kommentare