Himmel & Erde

Was kann ein Mensch?

„Zeugnisse!“ Kommenden Freitag isses so weit: zum Schulschluss gibt’s die Noten. Schlussendlich kriegen’s die SchülerInnen ‚schwarz auf weiß’, nicht nur mit welchen einzelnen Noten in den jeweiligen Fächern, sondern mit welchem Durchschnitt sie’s Schuljahr 2014/2015 abgeschlossen haben. Für all diejenigen, deren ‚Vorrücken in die nächste Klasse’ eh nicht gefährdet ist bzw. schon bei Notenschluss vor 10 Tagen war, ist der Notendurchschnitt, so er nicht für ‚Quali’, ‚Mittlere Reife’ oder ‚Abi’ bzw. Numerus / Studium relevant ist, ein Luxusproblem. Da mag manche Eitelkeit hadern, mögen manche Narzissmen kränkeln, trübt eine 2, sagen wir in Mathe, die Einser-Parade verhageln, vermöchten manche Eltern tstststststss nörgeln, bleiben die Zöglinge unter den (oft hoch geschraubten) Erwartungen.

Was freilich sollen all diejenigen sagen, vielmehr fühlen, für die’s diesmal nicht mehr gelangt hat, deren ‚Vorrücken’ schon in den Zwischenzeugnissen gefährdet war, und die nun ‚Sitzenbleiber’ sind, eine Ehrenrunde drehen dürfen, oder wo der Quali so mies ist, oder die Mittlere so schlecht, dass eine Wunsch-Lehrstelle problematisch wird, oder das Abi den Numerus net g’schafft hat?

Das Scheitern ist hart, zumal, wenn in einer ausgeflippten Siegergesellschaft nur noch das Maximum als Minimum gilt und unterm Superlativ schon das Nichts beginnt. „Gescheitert? Einerlei. Wieder versuchen, wieder scheitern: besser scheitern.“ So tröstet Samuel Beckett in seinem Büchlein Worstward ho/Auf’s Schlimmste zu. Eine Rosskur ist das, so zurechtzukommen.
Zuvor, vor’m Scheitern an vielleicht dem Einen oder Anderen ruinös angetragenen Erwartungen mag’s mit ein bisschen Barmherzigkeit oder Gelassenheit vorab net nur auf’s Schlimmste zugehen: „Der Dreier ist der Einser des kleinen Mannes“. Omas erfahrungsweiser Spruch half leichter heimkommen. Und wenn der Nachbarsbu’ einen Vierer hatte, dann schien die Welt irgendwie auch unter 1 oder 2 ganz in Ordnung – selbst wenn es dafür weniger ‚Zeugnisgeld’ gab.

Soviel Lockerheit gemahnte gar an die Fehlerfreundlichkeit meines früheren A-Jugendtrainers: selber ein Rastelli am Ball, der es fast – wegen einer schweren Verletzung zuletzt nicht – in den Profikader vom Glubb geschafft hat, versuchte er uns Übermotivierten mit auf den Weg, ins Spiel und zur Rücksicht auf die Mitspieler zu geben: „Der Fehlpaß ist normal und man muss mit verschossenen Elfern grad so zurecht kommen wie mit wirklich schlimmen Eigentoren im Leben“.

Also ihr lieben Eltern: mögen die Kinder mit welchem Zeugnis auch immer nach Hause kommen dürfen, dass die Jubelnden gefeiert, aber die Traurigen nicht minder getröstet, aufgebaut, geliebt werden. Denn was ist mit den ‚Zensuren’ in all den Fächern, von denen man im wirklichen Leben denn doch so wenig braucht, schon entschieden über das, was denn Diese oder Jener wahrhaftig drauf hat, nur halt im heutigen Focus der sogenannten für die Konkurrenz unter Globalisierungsbedingungen notwendigen Kompetenzen nicht einmal nicht erahnt wird?

„Was kann ein Mensch?“ (Paul Valéry) – diese Frage transzendiert alle, noch so akribischen, Zeugnisse. Jeder kann was! Niemand kann nix. Keiner kann alles. Aber sein eigenes Vermögen rauszufinden, das geht oft nicht ‚nach Noten’. Dafür gibt es keine ‚Partitur’ zum Hersagen, Auswendiglernen, Nachspielen oder Nachplappern. Spiel dein Spiel? Do your own thing? Weit weit weit über die Zeugnisse Anderer über mich hinaus bin ich selber gefragt: was wollte ich, bevor ich musste – was konnte ich, als ich noch durfte?

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