In seinem Gastkommentar für die Bayern 2-Sendung “Zum Sonntag” beschäftigt sich Akademiedirektor Udo Hahn mit dem Internationalen Tag der Kinderrechte am 20. November. Er plädiert dafür, Kinderrechte endlich auch im Grundgesetz zu verankern. Das würde nicht nur dafür sorgen, dass sie als besondere Bedürfnisse und Interessen registriert werden, sondern hätte auch demokratiestärkende Effekte.
Sendetermin: Samstag, 20. November 2021 um 17.55 Uhr auf Radio Bayern 2
Jedes Kind hat das Recht auf alle Dinge, die es zum Leben braucht. Dazu gehören zum Beispiel Essen und Trinken oder eine ärztliche Behandlung. Auch zur Schule gehen zu dürfen ist ein Kinderrecht, ebenso wie das Recht auf Spiel und Freizeit. Jedes Kind hat das Recht, gesund, umsorgt und vor Gewalt geschützt aufzuwachsen. So einleuchtend dies alles klingt, eine Selbstverständlichkeit ist es keineswegs. Leider, so muss man auch am heutigen Internationalen Tag der Kinderrechte klagen. Der 20. November erinnert an die 1989 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete Kinderrechtskonvention. Mit “Kindern” sind alle Menschen unter 18 Jahre gemeint – es geht also auch um Jugendliche.
Es sind nicht erst Krieg, Vertreibung, Flucht und Naturkatastrophen, die einem vor Augen führen, dass die Schwächsten besonders schutzbedürftig sind. Auch die Corona-Pandemie mit ihren Auswirkungen weltweit und bei uns in Deutschland zeigt, dass die Rechte von Kindern und Jugendlichen im Alltag oft gar nicht im Blick sind. Expertinnen und Experten beklagen diesen grundlegenden Mangel schon lange.
Ihn zu beheben, dazu gab und gibt es in der Politik immer wieder Bestrebungen – z.B. Kinderrechte endlich auch im Grundgesetz zu verankern. Die schwarz-rote Bundesregierung hatte sich darauf vor vier Jahren verständigt. Doch im Frühjahr 2021 hat sie das Vorhaben von der Agenda genommen. Es scheiterte am Widerstand der Union. Die wohl künftige Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP hat jetzt in einem Sondierungspapier festgehalten, Kinderrechte im Grundgesetz verankern zu wollen. Man darf gespannt sein, ob diese Bemühungen erfolgreich sind.
Das zentrale Argument gegen eine Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz lautet, die Rechte der Eltern könnten im Verhältnis zum Staat geschwächt werden. Hier wäre dringend ein Perspektivwechsel nötig. Denn Kinder sind nicht zu betreuende Objekte, sondern Subjekte mit eigenständigen Rechten. Durch die Festschreibung in der Verfassung, so argumentieren die Befürworter, bekämen die Belange von Kindern endlich Gewicht. Sie müssten dann immer mitgedacht werden. Zum Beispiel in der Gesetzgebung oder in den Planungen vor Ort.
Im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention sind Interessen von Kindern und Jugendlichen nicht bloß mit zu bedenken. Vielmehr müssten sie in der Abwägung politischer und rechtlicher Entscheidungen stets vorrangig berücksichtigt werden. Das ist gegenwärtig nahezu nirgends der Fall.
Kinderrechte sind Menschenrechte. In der Praxis werden sie jedoch kaum als solche erkannt und beachtet. Ihre Verankerung im Grundgesetz würde endlich dafür sorgen, dass sie als besondere Bedürfnisse und Interessen registriert werden.
Das viel beachtete Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Frühjahr, das Klimaneutralität künftig verbindlich macht, weckt Hoffnung, dass nun auch die Rechte von Kindern und Jugendlichen explizit Anerkennung finden. Generationengerechtigkeit ist jetzt keine Floskel mehr, sondern erhält Verfassungsrang. In der Logik dieses Urteils liegt der Auftrag, Kinderrechte dauerhaft zu stärken.
Durch eine Festschreibung im Grundgesetz könnte dies ganz praktisch bedeuten, dass es neben Gleichstellungsbeauftragten auch Kinderbeauftragte oder adäquate Einrichtungen gibt, die die Interessen von Kindern nicht nur ermitteln. Vielmehr würde sichergestellt, dass diese ein verbindlicher Teil der Entscheidungsprozesse auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene werden. Und es hätte zur Folge, dass alle Gesetze von vornherein kinderrechtskonform ausgestaltet werden müssten. Ganz nebenbei würde mit der Säule der Kinderrechte auch die Demokratie gestärkt. Darauf kann die Politik nicht verzichten.
Der Autor ist Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing.
Hinweis:
Vorliegender Text ist als Gastkommentar für die Sendung “Zum Sonntag” von Radio Bayern 2 erschienen.
Sendetermin: 20. November 2021 / 17.55 Uhr. Unter diesem Link geht es zur Homepage der Sendung.
Bild: Pfr. Udo Hahn, Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing (Foto: Haist/eat archiv)
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