Urbanes

„Guten Tag, wie geht es Ihrer Stadt denn so?“

Mit Wiener Charme und Gespür für die urbanen Details brachte die Stadtpsychologin Cornelia Ehmayer eine weitere überregionale Perspektive in die Tagung ein. Sie schilderte Stadtaneignungsprozesse in Wien, im Speziellen in Bezug auf den durch die Stadt fließenden Donaukanal. Auch wenn der Vergleich zur Münchner Isar verlockend und schnell bei der Hand war, zeigte das Beispiel, dass es übergreifende ortsunabhängige Prozesse gibt, die Ähnlichkeit besitzen; aber auch, wie wichtig und entscheidend eine qualitative Analyse der ortsabhängigen und spezifisch lokalen Bedürfnisse sind.

Die von der Forscherin durchgeführte Studie hinterfragte die Stadtentwicklungspläne der Stadt Wien für den Donaukanal und stellte sie den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzern gegenüber. Es kristallisierte sich heraus, dass der Donaukanal als Erholungsoase und „Natur“ in der Stadt gewünscht wurde – und als konsumfreie Zonen. Der beim Stichwort „kosumfreie Zone im öffentlichen Raum“ aufbrausende spontane Applaus aus dem Auditorium zeigte, wie wichtige „echte“ unkommerzialisierte Räume für ein urbanes Gefühl sind.

Neben den konkreten Ergebnissen und daraus abgeleiteten Aktionen aus der Studie um die Befindlichkeiten des Donaukanals waren es aber auch die theoretischen Ausführungen, die den Beitrag der Wienerin so interessant machten. Brach sie doch ganz grundsätzliche und viel verwendete Begriffe auf ihre Bedeutung und die zugrundeliegende Dynamik herunter. Aneignung, zum Beispiel. Dieser Begriff ist aus der heutigen Stadtforschung nicht mehr weg zu denken.

Aber was genau geschieht bei einem „Sich-etwas-zu-eigen-machen“? Der Mensch hat ein natürliches Bedürfnis zur Aneignung, Aneignung ist ein psychologisches Grundbedürfnis, das Identifikation schafft. Bei dem interaktiven Aneignungsprozess zwischen Mensch und Umwelt, macht sich der Mensch etwas zu Eigen. Auch wenn der öffentliche Raum nicht der erste Raum dieses Sich-zu-Eigen-Machens ist, kommt er in einer emanzipierten BürgerInnen-Sicht zwangsläufig eher früher als später.

Urbane Gärten oder Street Art sind eine klassische Strategie der Aneignung eines Stadtraumes, einer Identifikation mit einem Stadtraum. Diese Aneignung und der dadurch gegebenen Wert lässt eine lebendige Stadt entstehen.
Genau wegen dieser dem Beitrag impliziten Forderung war er ein gelungener Abschluss für den ersten Tutzinger Tagungstag. Ohne Aneignung keine Werte und Gefühle und ohne Emotionen keine lebendige Stadt.

Und wie geht es deiner Stadt?

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