Himmel & Erde

Paris, Paris

Paris, Paris, un seul chanson d’amour, die ganze Stadt – Paris, Paris, un seul chanson de la révolution, die ganze Stadt – Paris, Paris, un seul chanson des arts, die ganze Stadt … – wir waren 17, als wir auf unserer Interrail-Tour durch Europa (denk’ Dir: 1 Monat allein ohne Eltern, ohne Handy, ohne www im Zug eine Schleife via London, Paris, Barcelona, Marseille, Zürich, Rom, Wien, Kitzbühl, München und Nürnberg) tourten. Besser : turtelten. Denn diese Stadt, von Walter Benjamin einst die Capitale des 19. Jahrhunderts genannt, war, neben New York oder Napoli für uns der Inbegriff des ‚soi modern’: sei modern! Nicht kuschen, sondern coucher … . Aufrecht wie der Eiffel-Turm, fromm wie Sacre Coeur, nomadisch zuhause in den Cafés wie Simone de Bouvoir und Jean Paul Sartre – ist doch logo, dass selbst die Sissi alias Romy Schneider aus dem Heimatkaiser in die emanzipierte Sinnlichkeit konvertierte, auch wenn sie für den coolen ‚Alleng Dellong’, wie wir den heute 80jährigen Alain Delon nannten, nicht die einzige Liebe war.

Mei, Fußball war noch net die Champions-Domän’ wie heut’ nun auch Paris St. Germain, aber wer hat das vermisst? Dann wäre Paris ja total, alles gewesen. Nö, Paris war auch so Charme, Tanz, Mythos, Film, Parfüm, un seul cinéma. Für mich weniger BB, Jeanne Moreau, heijeijei, die Stéphane Audran, meine Güte, die, auch schon Achtzge, die wär’s gewesen, im Paris von Louis Aragon, dem Paysan de Paris, dem Bauernprolo, süchtig nach der réalité, réalité, réalité! „Stéphane Audran“, erträumt, versäumt, klar, unerreichbar nah, und doch so „une passante“, von der Baudelaire schwärmt in den Fleurs du Mal, eine Sirene, die vorübergeht … – vorbei, jamais, dich hätt’ ich geliebt und du hast es gewusst. Ja, oui, Paris: „Je t’aîme“!

Und in diesem Paris killen Kids andere Kids. BummBumm, man hat es gehört als Zuschauer vom Fußballländerspiel Frankreich : Deutschland, bummbumm. Und sie haben weiter gespielt. Und die Kids killten weiter Kids im Bataclan, einem Konzerthaus 200m von der Redaktion Charlie Hebdo entfernt, wo im Frühjahr das Morden wütete. Je suis Charlie Hebdo, je suis Bataclan, je suis … – was soll ich noch alles sein aus Solidarität? Was kann ich tun? „On n’a pas peur“ sagen’s in Paris: hab’ keine Angst! Pah, viel Feind, viel Ehr, das mag angeh’n, der Feind kommt von vorn’, schaut mir ins Gesicht – aber der Terrorist, der feige Idiot, der kommt von hinten, stumm, gesichtslos, und er kommt aus unserem Leben, unseren Lebenswelten, unseren Milieus, unseren Makros und Mikros heraus – ein Kid wie du und ich, ein Interrailer? Je weniger Eros, desto mehr Thanatos? Wer liebt, killt nicht? Liberté, Ègalité, Fraternité, das darf nicht kaputt gehen.

Aber ich bin ein Schisser, kein Tausendsassa, wie die Unterhemdchen hießen. „On n’a pas peur“? Wie lerne ich das? Aus unbestimmter Angst bestimmte Furcht machen? „Paris schmückt sich schöner“ titelte noch am Samstag die November-Ausgabe eines opulenten Magazins, das einer großen deutschen Tageszeitung beilag. Stattdessen blieb am Schluss der Dampfstrahler, die Lachen vom Blut, die Tränen aus Trauer, Schmerz und Wut wegzuwaschen. Nein, niemals, das „Kärchern“ darf nicht das letzte Wort behalten. Heiland, Jesus und Maria, „Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker“? (Che Guevara). Hände halten, Tauben auf die Straße malen, das wird net langen für den Frieden. Widerstand, wie schaut der aus, wie sich, unser Leben schützen? Une résistance? Bin ich so stark ? So mutig? Hilf, Artur Rimbaud, „je est un autre“ hast du gedichtet – Ich ist ein Anderer. Paris, das ist nach Athen die Idee vom freien Europa, antifanatisch, das Glück verspielter Kids. Ja, das ist klar: Paris, mon amour, je t’aîme!

 

 

 

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