Himmel & Erde

Zum Tode von Max Mannheimer

Ein Mann stirbt im Alter von 96 Jahren – tragisch kann man das nicht nennen. Und doch geht gleichsam eine Welle der Betroffenheit durch das Land. Viele Zeitungen bilden ihn heute auf ihren Titelseiten ab – allerdings hatte er auch ein altersschönes Gesicht -, alle Rundfunkstationen berichten, ja, sogar beim Bäcker gerät man in ein Gespräch über ihn. Max Mannheimer war etwas Besonderes, „ein weißer Rabe“ wurde er in einem Porträtfilm von Carolin Otto genannt. Ein Jude, der die Hölle von Auschwitz überlebt hat, Theresienstadt und das KZ Dachau. Unendlich viel Leid hat er erfahren und bezeugt und doch war er von dem Willen zur Versöhnung und von Menschenliebe geprägt.

Vor sechs Jahren haben wir an der Akademie eine Tagung mit dem Titel „Münchens Weg in den Nationalsozialismus“ veranstaltet. Max Mannheimer hat sich einfach als Teilnehmer angemeldet. Mit 90 war er noch nicht müde, Vorträge anzuhören und mit den anderen Gästen ins Gespräch zu kommen. Die haben ihn dann auch überredet, selbst einen Vortrag zu halten. Unter der Moderation von Andreas Heusler vom Münchner Stadtarchiv wurde daraus eine seiner berühmten Geschichtsstunden: Mannheimer sprach, die Zuhörenden waren natürlich entsetzt und betroffen über manches Detail, über die mörderischen Grausamkeiten der KZ-Schergen oder die Schilderung der Selektion an der Rampe von Auschwitz. Aber er selbst vermochte es, den Bann des Schreckens zu brechen: Er forderte die Zuhörenden zum Fragen auf, antwortete auf alles gewissenhaft, so dass seine Gesprächspartner die Scheu ablegten und einfach weiter fragten.

Das machte ihn auch in den Schulen so unersetzlich. Zwar mochte er es, einen kleinen Wissensquiz mit den Schülern zu veranstalten – der Preis war im allgemeinen eines seiner Bücher -, aber nie musste sich jemand blöd vorkommen, weil er vielleicht die falsche Frage gestellt hatte. Er machte durchaus gern Scherze und konnte so die Tragik des Erzählten durchbrechen, aber er würdigte niemanden herab, behandelte Jugendliche auf Augenhöhe und verlangte ihnen auch etwas ab: Nicht sich für die Vergangenheit schuldig zu fühlen, sondern für die Zukunft Verantwortung zu übernehmen. Insofern war er ein großartiger Didaktiker und Lehrer; und eine der Auszeichnungen, auf die er in seiner bescheidenen Art wirklich stolz war, war die Ehrendoktorwürde der Münchner Universität, die er 2000 erhalten hatte.

Erinnert sei abschließend daran, dass Max Mannheimer neben seinen Auftritten in den beiden Akademien von Tutzing eine zweite Verbindung hierher hatte. Am 30. April 1945 endet sein Martyrium kurz vor dem Bahnhof Tutzing, als die letzten Regimevertreter vor den Amerikanern fliehen und den Häftlingstransport einfach stehen lassen. Hier also erlebt Max Mannheimer die Befreiung, hier wird er zu seinem zweiten Leben geboren.

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