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Metalle nachhaltiger nutzen

Deutschland ist nicht “Recyclingweltmeister”, sondern bestenfalls “Sammelweltmeister”. Das meint Christian Hagelüken, der in einem Unternehmen für Materialtechnologie- und Recycling tätig ist. Er plädiert dafür, Rohstoffe zielgerichtet zu gebrauchen statt zu verbrauchen. Um eine Kreislaufwirtschaft zu implementieren, die über das reine Recycling herausgeht, benötige man eine Überarbeitung der Abfallgesetzgebung.

 

Von Dr. Christian Hagelüken

 

Klimaschutz, Energiewende, Verkehrswende – das sind Herkulesaufgaben, denen sich Politik, Wirtschaft und Gesellschaft jetzt endlich stellen müssen. Und sie sind eng miteinander verbunden, mit vielfältigen Wechselwirkungen. Denn das Erreichen des 1,5-Grad-Ziels kann ohne einen Umstieg auf erneuerbare Energien, eine nachhaltigere Mobilität und viele weitere Nutzungs- und Verhaltenswenden nicht erreicht werden. Im Zentrum steht dabei die Reduktion des Ressourcenverbrauchs, vor allem bei Energie und Rohstoffen.

Rohstoffe sind die Basis unserer materiellen Welt, aber ihr übermäßiger Verbrauch hat den Klimawandel angestoßen. Rohstoffe und hier vor allem Metalle haben aber auch eine Schlüsselrolle für Klimaschutztechnologien wie Elektromobilität, Wasserstoffwirtschaft, Solar- und Windkraftanlagen und auch für die Digitalisierung, ohne die die verschiedenen “Wenden” kaum vollzogen werden können. “Metals matter!”, unter diesem Titel findet daher auch vom 5. bis 7. November eine Tagung mit Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik an der evangelischen Akademie statt.

Es gilt entsprechend, den Umgang mit Rohstoffen sehr viel ressourceneffizienter als bisher zu gestalten und diese möglichst zielgerichtet zu gebrauchen statt zu verbrauchen. Ein Schlüsselansatz hierfür ist die Kreislaufwirtschaft, denn Metalle sind grundsätzlich ohne Qualitätsverluste “unendlich” oft wiederverwendbar. Bei konsequenter Anwendung modernen Recyclingtechnologien stehen am Ende des Prozesses wieder Feinmetalle zur Verfügung, die in ihren chemischen und physikalischen Eigenschaften identisch mit solchen aus dem Bergbau sind. Ein umfassendes Metallrecycling schont die Primärlagerstätten, erhöht die Versorgungssicherheit (Verwendung von Altprodukten aus heimischen Quellen statt Importabhängigkeit), ist ein Beitrag zum verantwortungsvollen Rohstoffbezug (saubere Vorketten) und verbessert vor allem die Ökobilanz der Produkte. In vielen Altprodukten ist nämlich die Metallkonzentration deutlich höher als im Bergbau, was für Recyclingmetalle einen geringeren spezifischen Energie-, Wasser- und Flächenbedarf bedeutet.

Kreislaufwirtschaft der Metalle

Aber wie können Metalle wie z.B. Kobalt, Nickel, Lithium in Batterien in E-Autos, oder Edelmetalle, Kupfer, Zinn und weitere Technologiemetalle in Elektronikbauteilen möglichst ressourceneffizient genutzt werden?

Kreislaufwirtschaft bedeutet mehr als Recycling: Es handelt sich um einen übergreifenden konzeptionellen Ansatz, wie Produkte entwickelt, designt, vertrieben, verwendet, repariert, wiederverwendet und schließlich recycelt werden können. Durch sie kann der ökologische Fußabdruck von Produkten deutlich reduziert werden. Während effektives Produktrecycling  das Rohstoffangebot sichert und erhöht, wirken sich andere Maßnahmen auf die Nachfrageseite aus. Diese “inneren Kreisläufe” umfassen eine längere und effizientere Nutzung von Produkten durch Langlebigkeit, Reparatur und Weiterverwendung. Entsprechend verringert sich die Nachfrage nach neuen Rohstoffen für solche Produkte, sie werden ressourceneffizienter.

Letztlich muss jedoch auch die Weiterverwendung in ein umfassendes und hochwertiges Recycling münden. Hierfür gilt es, geeignete technische, wirtschaftliche und gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Wichtig dafür sind eine klare Benennung des Systemrahmens sowie zielkonforme Definitionen, Berechnungsansätze und Indikatoren zur Verifizierung des Grades der Zielerreichung. Wichtig ist aber auch ein Verständnis für die Chancen und Grenzen des Recyclings.

Nur physische Kreisläufe sind zielkonform

Wie von der EU-Kommission bereits 2015 in einem Strategiepapier definiert, ist Ziel der Kreislaufwirtschaft, den „Wert von Produkten, Materialien und Rohstoffen so lange wie möglich zu erhalten und die Erzeugung von Abfällen zu minimieren, um damit einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung einer nachhaltigen, CO2-armen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft in der EU zu leisten“. Im Sinne dieses Ziels ist es entscheidend, dass die Kreisläufe wirklich auch physisch geschlossen werden.

Dies bedeutet, dass Materialien und Metalle nach Ende der (verlängerten) Produktlebensdauer auch tatsächlich stofflich ihren Weg in neue Produkte finden müssen: als Kunststoff, Metall, Legierung oder als Bauteil. Altprodukte müssen also nicht nur umfassend erfasst, sondern anschließend auch in eine qualitativ hochwertige Recycling-Prozesskette eingesteuert werden. Im Sinne der physischen Kreislaufschließung darf dabei nur der Output der finalen Recyclingprozesse dieser Kette für den Erfolg gezählt werden und zwar nur dann, wenn die Qualität der Rezyklate ihren Einsatz für die Herstellung von Neuprodukten ermöglicht und dadurch Primärrohstoffe ersetzt werden.

Der physische Kreislauf ist für einfache Produkte (z. B. Glasflaschen oder Aluminiumdosen) prinzipiell leichter zu schließen als für komplexe, multimateriale Produkte wie elektronische Geräte oder Autos. Auch müssen bei letzteren die Kreisläufe für möglichst viele der enthaltenen Stoffe geschlossen werden, eine rein massenbasierte Betrachtung mit einer Recyclingquote für das Gesamtprodukt vernachlässigt die Bedeutung von wichtigen, oft nur in geringeren Konzentrationen enthaltenen Technologiemetallen.

Die derzeitige Abfallgesetzgebung mit ihren Recyclingquoten bildet diese physische Dimension bei komplexen Produkten nicht ausreichend ab. Historisch bedingt liegt der Fokus noch auf Abfallvermeidung und Schadstoffmanagement statt auf einer umfassenden Rohstoffgewinnung aus Abfällen. Entsprechend wird für die Berechnung der Recyclingquoten meist nicht der Output des finalen Prozesses sondern dessen Input herangezogen, die Verluste im finalen Prozess selbst bleiben unberücksichtigt. Auch gibt es bisher kaum spezifische Recyclingquoten für einzelne Materialien/Metalle. In diesem physischen Kontext ist der vielzitierte Satz von Deutschland als “Recyclingweltmeister” irreführend, wir sind  bestenfalls “Sammelweltmeister”.

Grenzen des Recyclings – über vermeidbare und unvermeidbare Verluste

Besondere Herausforderungen bestehen bei komplexen, multi-metallhaltigen und massenrelevanten Konsumgütern wie z.B. PKW oder Elektronikgeräten. Selbst bei optimalem Produktdesign und Rahmenbedingungen können aus solchen Produkten nicht alle enthaltenen Materialien gleichzeitig und auch kein einzelnes Material zu hundert Prozent recycelt werden. In gewissem Umfang entstehen unvermeidbare Verluste durch Dissipation (bei kleinstteiliger Verwendung) und durch thermodynamische Grenzen beim Recycling komplexer Materialverbünde.

Es besteht heute allerdings ein erhebliches Potenzial, um vermeidbare Metallverluste am Lebensende eines Produktes deutlich zu verringern. Dies erfordert vor allem geeignete Maßnahmen zur Erhöhung der Sammelquoten von Altprodukten und zur Sicherstellung, dass sie nach der Sammlung ausschließlich qualitativ hochwertigen Recyclingverfahren zugeführt werden.

Für eine erfolgreiche Umsetzung der Kreislaufwirtschaft sind also verbesserte gesetzliche Rahmenbedingungen, eine höhere Transparenz über die realen Stoffströme sowie vor allem auch innovative zirkuläre Geschäftsmodelle und ein vernetztes, verantwortliches Handeln aller Akteure entlang des Produkt-Lebenszyklus entscheidend.

Recycling und Bergbau als komplementäre Systeme

Recycling ist kein Selbstzweck, es kann aber maßgeblich zur Ressourceneffizienz und somit zum Klimaschutz beitragen. Darüber hinaus ist Recycling wichtig für die globale Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz der EU-Industrie, ohne die eine Wende zu einer nachhaltigen, klimaneutralen Gesellschaft nicht vollzogen werden kann. Entscheidend sind dabei systemische Ansätze, welche die vielfältigen Interdependenzen angemessen berücksichtigen.

Auch bei einer “optimalen” Kreislaufwirtschaft wird nicht vollständig auf den Einsatz von Primärrohstoffen verzichtet werden können, da unausweichliche Verluste und Neubedarf durch neue Technologien (Beispiel Batteriemetalle) ausgeglichen werden müssen. Recycling und Bergbau bleiben damit komplementäre Systeme, wobei der Anteil an Recyclingrohstoffen kontinuierlich wachsen und die Primärrohstoffe zunehmend “sauberer” (CO2, Umwelteinfluss; soziale Bedingungen) produziert werden müssen.

 

Hinweis:

Dr. Christian Hagelüken wird auf der Tagung “Metals matter!”, die vom 5. bis 7. November 2021 an der Evangelischen Akademie Tutzing stattfindet, einen Impuls zum Thema “Metallrecycling in der Kreislaufwirtschaft” geben.

Informationen zum Ablauf und zu den Anmeldemodalitäten finden Sie hier.

Dieser Beitrag ist zugleich die Gastkolumne im November-Newsletter der Evangelischen Akademie Tutzing. Mehr dazu hier.

 

 

Bild: Christian Hagelüken (Foto: umicore)

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1 Kommentar

  1. Mir war nicht klar, dass man auch mit Zinn nachhaltig umgehen kann. Das ist eine sehr interessante Sache. Ich finde es gut, wenn man solche Beiträge wie diesen liest.

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