Himmel & Erde

Homo ludens

Endlich wird das Leben wieder normaler. Endlich wieder Bundesliga (die 52. Saison), endlich wieder (neue) Krimis (statt Wiederholungen) Sonntagabend. Spiele und Verbrechen als Unterhaltung, so sind wir eben – die zwei Seiten der Lust: Rausch der Zeugung, Taumel der Zerstörung. Spiele wie Krimi spielen uns Uns vor zur Schau, wörtlich Theoria: Spektakel zur Aufklärung, Sensation als Reflexion.

Gescheitgehubert? Ja, was wird nicht von hoher Warte aus Bildung, Moral, Dogma geschimpft auf die SchauSpiele – schon Tertullian wettert gegen die Spectaculi. Aber machen nicht erst die Nebensachen uns all die Hauptsachen erträglich? Was hülfe gegen die Schwere der Notwendigkeiten besser als die Leichtigkeit der Passionen? Der homo ludens gehört im Kant’schen Reigen der drei Vernünfte bzw. Vernunftkritiken (aus den einst in Gott konvertiblen Transzendentalien erstanden: Wahres, Kritik der reinen Vernunft: was können wir wissen?; Gutes, Kritik der moralischen Vernunft: was sollen wir tun?; Schönes, Kritik der ästhetischen Urteilskraft: was dürfen wir hoffen & was als schön empfinden?) zur sog. ‚ästhetisch-expressiven Rationalität’. Denn das Schöne, was zweckfrei gefällt und vergnügt, ist gegenüber dem dominanten Hightech-Kapitalismus (‚instrumentell-kognitive Rationalität’) und der hinterher hechelnden ‚moralisch-praktischen Rationalität (Politik, Kirchen … ) der eingehegte Hort, wo unsere Herzen pochen. Gemeinhin wird die zivilisierende Kraft der Spiele freilich unterschätzt. Doch hochkomplexe Gesellschaften brauchen Spiel & Schau als Oasen der Ablenkung, als Ventile.

Wer nicht Almosen und Spiele habe, so etwa Georges Bataille, dem bleibe nur Krieg zum Abfackeln von gesellschaftlichem Speck bzw. überschießender Energie. Immerhin: zur Matrix von Sport Spiel Spannung gehört ein Minimum von fairplay. Ja, im Competition, lat. cumpetere, gemeinsam etwas bestreben, erbeten, beten, sind Konkurrenz und Kooperation wechselseitige Apriori der Anerkennung. Mehr noch: wie in der fanatischen Religion gibt es Sieger und Verlierer, aber anders als in der fanatischen Religion darf der Verlierer nicht vernichtet werden – er muss im Spiel bleiben.

So kann der Absteiger sogar wieder aufsteigen, wie irreal auch immer (Glubb, Sechzig) das ausschauen mag. Das weiß jeder Fan, auch ohne alle Theorie. Es ist eben jenes intuitive, gefühlte Wissen, eine instinktive Ordnung, zu der dann auch der zwischen Tätern und Opfern intervenierende Dritte, Schiri wie Kommissar (beide umstritten) gehört. Und am Schluss weiß man in Spiel und Krimi, wie es ausgeht. Was für ein Feeling. Endlich wieder das normale Leben. Ganz normal wird es dann, wenn auch die Schule wieder beginnt. Ein Lob also den Nebensachen, die uns wohl heimlich oder unheimlich die Hauptsachen sind. Denn wo sonst, wenn nicht im SchauSpiel, überlebt jene Artistik, dumm als oberflächlich, clownesk, zirkushaft verpönt, dass der Mensch sich kraft der leibhaften geschöpflichen Lust sich in seinem Tun selber als Inhalt erlebt? Auch der liebe Gott war (früher?) ihr Fan: er spielte mit der Weisheit und dem Leviathan.

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