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New Work ist kein Konzept der Privilegierten

Frithjof Bergmanns Konzept, dass Arbeit dem Menschen dienen soll und nicht umgekehrt ist aktuell “vielfach eine unerfüllte Verheißung” schreibt Peter Lysy, Leiter des Kirchlichen Diensts in der Arbeitswelt (kda) der bayerischen Landeskirche. Er erinnert an den demokratischen Grundgedanken des Konzepts und erweitert es um ein “evangelisches Berufsverständnis”.

Diese Tage ging es durch die Presse: Amazon, SAP, die Deutsche Bank – sie alle wollen ihre Mitarbeiter wieder aus dem Heim- ins Konzernbüro zurückholen. Ist “New Work” also schon wieder vorbei, bevor es überhaupt so richtig begonnen hat? Nun, zum einen ist der Trend zum mobilen Arbeiten keineswegs gestoppt. Zum anderen ist mit New Work noch viel mehr gemeint als die neue Welt des flexiblen Arbeitens mit Homeoffice, Co-Working-Spaces, Workation und anderen schicken Anglizismen.

New Work beschreibt eine bestimmte Sicht auf die Arbeit und damit auch eine bestimmte Herangehensweise an das (in der Regel zunächst einmal fremdbestimmte) Arbeiten. “Arbeit soll den Menschen dienen.”, hat es der Sozialphilosoph Frithjof Bergmann, Begründer der “Philosophie der Neuen Arbeit” und damit der New-Work-Bewegung benannt. Diese Sicht erwuchs bei Bergmann auch aus der Einsicht, dass in den prägenden Wirtschaftsweisen des 20. Jahrhunderts, dem Kapitalismus wie dem real existierenden Sozialismus, eher die Menschen der Arbeit dienen.

Und wie sieht es heute aus? Vermutlich ist die Frage differenziert zu beantworten, vielleicht am besten so: Einer Arbeit, die dem Menschen dient, die, so das New-Work-Konzept, mit Freiheit, Selbstverantwortung, Sinn, Entwicklung und sozialer Verantwortung verknüpft ist, können all jene nachgehen, die sich dies erlauben können. Viele hingegen können das nicht. Im besten Falle erleben einige, dass zumindest ein Teil der New-Work-Prinzipien in ihrer Arbeit vorhanden und erlebbar ist. New Work mag aus der Sicht der letzteren daher wohl als ein Konzept der Privilegierten erscheinen. Schaut man genauer hin, zielt das Konzept jedoch genau darauf, diese Privilegien allen zugänglich zu machen, sie zu demokratisieren. Mit gutem Grund hat Bergmann sein erstes Center for New Work in der einst stolzen Automobilstadt Flint / Michigan 1984 gegründet, als es dort schon gehörig kriselte. Einen Eindruck davon vermittelt bis heute Michael Moores Dokumentarfilm “Roger & Me”.

“Arbeit soll den Menschen dienen.” Bei uns in der evangelischen Arbeitsseelsorge in Bayern stößt solch ein Satz natürlich auf offene Ohren. “Arbeit soll den Menschen dienen”, könnte auch gut unser Motto sein, orientiert an einem evangelischen Berufsverständnis, in dem dieser Satz eine doppelte Bedeutung gewinnt.

Auf der einen Seite steht in diesem Verständnis die geradezu paradiesische Verheißung, dass Arbeit den Menschen dann dient, wenn sie wirklich darauf vertrauen, dass sie ausschließlich aus Gottes Güte leben. Erst dann wird die Arbeit von der abgründigen Lebenssorge entkoppelt, die fälschlicherweise lehrt, dass man nur mit der eigenen Hände Arbeit das eigene Leben (ver-)sichern kann.

Auf der anderen Seite erscheint der Bergmannsche Satz als eine Reformulierung des Rufes bzw. Auftrags Gottes an die Menschen, mit ihrem Tun ihren jeweils Nächsten zu dienen, jenen nämlich, die ihnen mit ihrer Not vor die Füße fallen. Erstaunlicherweise wird auch dieses Fremdbestimmtsein durch diese Nächsten und ihre Not als Freiheit verstanden. Für viele, die “etwas mit Menschen machen” und darin immer wieder ihre Erfüllung finden, erscheint dies jedoch sehr nachvollziehbar. Und klingt es nicht auch an im New-Work-Prinzip der “sozialen Verantwortung”?

So erscheint mir New Work einen neuen Gesprächsraum eröffnet zu haben für altbekannte Themen der Fragen nach guter, (menschen-) gerechter Arbeit, wie sie Gewerkschaften formulieren und erstreben, ebenso wie nach werteorientierter Führung, unternehmensethischen Leitlinien oder berufsethischem Handeln, wie sie in unternehmerisch ausgerichteten Kreisen, in Verbänden und Kammern diskutiert und etabliert werden. Es ist gut, dass es diesen Gesprächsraum gibt, in dem wir uns dieser Tage auch wieder in Tutzing versammeln und das gemeinsame Gespräch bei der Tagung “New Work (Vol.2)” suchen. Denn dass “Arbeit den Menschen dient” ist auch in unseren Tagen vielfach eine unerfüllte Verheißung.

 

 

Über den Autor

Peter Lysy ist Pfarrer und Leiter des Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (kda), der Arbeitsseelsorge der evangelischen Kirche in Bayern.
Weitere Informationen über die Arbeit des kda finden Sie hier.

Hinweis:

Gemeinsam mit Studienleiterin Dr. Nadja Bürgle lädt Pfr. Peter Lysy vom 11. – 13. Oktober 2024 ein zur Tagung “New Work, Vol.2”. Die Tagung rückt den Menschen in den Mittelpunkt der New-Work-Debatte – in Vorträgen, Workshops und Debatten.

Alle Infos zum Programm und den Anmeldemodalitäten finden Sie hier.

 

Bild: Pfr. Peter Lysy (Foto: Andreas Focke)

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