Erst wird gejubelt, dann wird gekreuzigt. Zwischen Palmsonntag und Karfreitag liegt nicht mal eine Woche.
Erst wird gejubelt: unter Hosiannah-Rufen zieht Jesus von Nazareth in Jerusalem ein. So groß wie die Ehrbezeugungen – Palmenwedel und Mäntel werden unter seinen Füßen ausgebreitet -, so groß sind die Erwartungen: Erlösung ist das Minimum, die Befreiung aus der Herrschaft unter den Römern.
Doch Jesus von Nazareth entspricht den an ihn adressierten Erwartungen nicht. Auch seine nächsten Jünger sind irritiert. Nicht mal die Provokation des glühenden Messias-Ersehners Judas Ischariot, mit einem Kuss aus dem friedlichen Jesus den triumphalischen Rebellen Gottes zu machen, hat Erfolg. Weil Jesus von Nazareth dem revolutionären Gottesbild nicht entspricht, wird er am Karfreitag, noch vor der Kreuzigung, vom Volk abgestraft: sie wollen lieber den Regimeterroristen Jesus Barrabas. Das Hosiannah vom Palmsonntag indes schlägt um ins Gebrüll des Mobbs: ‘Kreuzige ihn!’. Erst wird gejubelt, dann gekreuzigt. Was angehimmelt wird, und sei es der Sohn Gottes, wird entwertet, wenn es die Erwartung nicht erfüllt. ‘Gott gibt Es nicht’ – Er beschert uns nicht, was wir wünschen, wie megaloman, heißhungrig auch immer.
Ob wir diese Ent-Täuschung aushalten? Kennen wir nicht alle diesen Heißhunger, dass Jemand oder Etwas unsere letzten Wünsche, Sehnsüchte, alles Verlangen total erfüllen, stillen können sollte? Und wenn sich schon der liebe Gott droben dem finalen Begehren entzieht, münzen wir es denn nicht gnadenlos auf irdische Kandidaten: Traumfrau/-mann, Wunschkind, Karriere, Traumberuf, Traumurlaub, Lottogewinn, Ruhm, Ehre, Geld? Wehe dem, der unser Götze wird, unser jeweiliges Erlösungsobjekt.
Was oder wer immer messianisiert wird, erst wird gejubelt, dann gekreuzigt, oder freudianisch: erst wird idealisiert, dann fäkalisiert. Mensch(lich) werden wie Gott in der Karwoche, heißt das nicht, gnadenlose Glücks-, Erlösungs-, Heilserwartungen abzutrauern? Vor allem: Niemanden diese tödliche Projektion aufzuhalsen, sondern alles Irdische vor der Wut des Ganzen, der totalen Erfüllung zu verschonen? ‘Finitum non capax infinitum – das Endliche kann das Unendliche nicht fassen’ – es ist ein Kreuz mit unseren Idealen und Sehnsüchten. Gott bewahre uns davor.
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