Die Ökumene lebt. Den Beweis, dass diese Behauptung stimmt, haben der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und Papst Franziskus gerade geliefert. Sie sind sich am Donnerstag erstmals persönlich und in herzlicher Atmosphäre begegnet. Dass der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche viel gemeinsam haben, zeichnete sich schon vorher ab. Beide sehen in der Bibel eine Kraft, die das Miteinander in der Gesellschaft prägen will und kann. Soziale Gerechtigkeit, der Einsatz für die Schwachen, die Bewahrung der Schöpfung – das sind weitere Themen, die beide verbinden. Es ist aber vor allem der Ton, den der Bischof und der Papst anschlagen, der in der Ökumene lange nicht mehr so kraftvoll erklang – und der den Menschen Hoffnung macht. Dass ein gutes Miteinander auf der Leitungsebene der Kirchen die Ökumene voranbringen kann, wird immer wieder unterschätzt.
Es scheint, als seien die Zeiten vorbei, in denen die Kirchen wechselseitig Forderungen stellten, die der ökumenische Partner gefälligst zu erfüllen habe. Beide Seiten beharkten sich lange und kräftig. Da wurde in einem EKD-Papier 2009 der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Zollitzsch, wenig schmeichelhaft kritisiert, die katholische Kirche agiere „wie ein angeschlagener Boxer“. 1999 schien es, als komme die Beziehung zwischen Lutheranern und Katholiken wieder ins Lot, als man sich in einem Dokument über den Streitpunkt einigte, an dem sich die Reformation entzündet hatte. Die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre: das erste und bislang einzige ökumenische Papier, das von den Kirchen offiziell angenommen wurde – und das sogar weltweit. Ein Jahr später veröffentlichte die Glaubenskongregation die Erklärung „Dominus Iesus“. Manche Passage liest sich so, als habe es nie einen ökumenischen Dialog gegeben, wenn die katholische Kirche sich als „einzige Kirche Christi“ bezeichnet.
Dabei hat der Papst, der unter anderem den Beinamen „Brückenbauer“ trägt, eine besondere Verantwortung. Ihr heute gerecht zu werden, ist das Gebot der Stunde. Papst Franziskus hat dies erkannt und ist auf einer ganzen Reihe von Baustellen aktiv. Einige ökumenische seien kurz erwähnt: Da ist zum Beispiel die Begegnung zwischen Franziskus und Kyrill II., dem Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche. Nach knapp tausend Jahren fand erstmals im Februar ein solches Treffen statt – auf Kuba, auf neutralem Boden. Ob sich die Beziehungen zwischen Orthodoxen und Katholiken je wieder fügen, war lange mit einem „wohl eher nicht“ zu bescheiden. Der orthodoxe Kosmos mit seinen unterschiedlichen Nationalkirchen ist schon in sich alles andere als homogen. Doch auch hier ist Bewegung entstanden, denn erstmals seit mehr als tausend Jahren soll im Juni wieder ein Panorthodoxes Konzil tagen – auf Kreta. Auf Lesbos traf Papst Franziskus erst vor wenigen Tagen Patriarch Bartholomaios I., das Ehrenoberhaupt der orthodoxen Kirchen, sowie den orthodoxen Erzbischof Griechenlands, Hieronymus II. Alle drei unterzeichneten eine Gemeinsame Erklärung zur Flüchtlingsfrage.
So viel Hoffnung auf eine Verständigung der Kirchen war lange nicht zu spüren. Diese Hoffnung nährt ein Papst, der in seinem Auftreten und in seiner Art auf die Menschen zuzugehen unprätentiös wirkt – dafür aber umso überzeugender mit seiner Botschaft. Mit der Botschaft der Bibel, die von Liebe, Frieden, Gerechtigkeit, Versöhnung kündet.
Der EKD-Ratsvorsitzende hat in seinem Bericht vor der bayerischen Landessynode in dieser Woche darauf hingewiesen, dass Papst Franziskus immer öfter von der „versöhnten Verschiedenheit“ spreche. Dieses Motto wird seit langem von den evangelischen Kirchen als das Ökumene-Modell schlechthin propagiert. Demnach ist nicht eine Einheitskirche mit einheitlichen Strukturen das Ziel, sondern – bildlich gesprochen – ein Haus mit vielen Wohnungen. Unterschiede würden, so die Vorstellung, ihren trennenden Charakter verlieren, sie dürften als Identitätsmerkmal bestehen bleiben. Die Kirchen wären im Grundsätzlichen aber versöhnt. Schon jetzt ist es im Blick auf den 500. Jahrestag der Reformation im nächsten Jahr eine kleine Sensation, dass Papst Franziskus zugesagt hat, an einem Gottesdienst am Gründungsort des Lutherischen Weltbundes in Lund in Schweden mitzuwirken – am 31. Oktober 2016.
Dass Papst Franziskus in diesem Modell der „versöhnten Verschiedenheit“ eine Chance sieht, ist erfreulich. Die positive Wirkung ist mit Händen zu greifen. Die Kirchen stellen so nämlich die Gemeinsamkeit im Zeugnis ins Zentrum und nicht eigene Interessen. Sie machen so der Welt Mut und können den Menschen Hoffnung geben. Darauf setzt auch Landesbischof Bedford-Strohm. Die weltweiten Krisen sind so gewaltig, dass die Kirchen zusammenrücken müssen. Sie gewinnen dadurch an Glaubwürdigkeit. Ihre gesellschaftliche Bedeutung wird zunehmen. Und ihre Stimme wird bei den großen Themen wie Flüchtlingskrise, Frieden, Gerechtigkeit nicht überhört werden können. Gerade in Europa ist das von besonderer Bedeutung.
Dieser Text ist Grundlage eines Beitrags bei “Zum Sonntag” auf BR2. Nachhören können Sie den Beitrag hier.
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