“Respekt heißt, andere Menschen, ihre Meinungen und Lebensweisen zu achten – auch wenn man sie selbst nicht teilt oder übernehmen möchte.” Das schreibt Nadja Bürgle, Psychologin und Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Tutzing. Für die “Tutzinger Nachrichten” hat sie ihre persönliche Haltung zum Thema Respekt aufgeschrieben. Hier können Sie den Text nachlesen.
Von Nadja Bürgle
Diskutieren Sie mit Ihrer Familie, Freunden oder Kollegen über Politik? Zum Beispiel über Migration, die Klimakrise oder Wehrpflicht? Welche Themen versuchen Sie zu vermeiden? Und woran liegt das?
Wenn die Sprecherin eines US-Präsidenten auf eine sachliche Frage mit “Deine Mutter” antwortet, wenn Politiker Kollegen aus anderen Parteien persönlich abwerten oder wenn wir einen Blick in die Kommentarspalten sozialer Medien werfen, findet sich eine mögliche Antwort: Es fehlt an Respekt.
Respekt heißt, andere Menschen, ihre Meinungen und Lebensweisen zu achten – auch wenn man sie selbst nicht teilt oder übernehmen möchte. Ich achte dich als Menschen und erkenne unsere Unterschiedlichkeit an. Von dieser Haltung brauchen wir dringend mehr in unserer Gesellschaft!
Für ein friedliches und erfolgreiches Zusammenleben in modernen Demokratien ist Respekt unverzichtbar. In einer Demokratie sind alle Menschen gleich an Würde und Rechten. Respekt bedeutet, diese Gleichwertigkeit anzuerkennen, unabhängig beispielsweise von Herkunft, sexueller Orientierung oder Religion. Zugleich lebt eine Demokratie vom Austausch unterschiedlicher Meinungen. Eine respektvolle Haltung ermöglicht, aktiv zuzuhören, Argumente ernst zu nehmen und Meinungsverschiedenheiten auszuhalten, anstatt das Gegenüber zu unterbrechen ignorieren oder abzuwerten. Das stärkt die Meinungsfreiheit und -vielfalt, da sich auch leisere Stimmen und Minderheiten am demokratischen Diskurs beteiligen können. Trotz unterschiedlicher Meinungen kann gemeinsam Verantwortung übernommen und um die besten Lösungen für die gesamte Gesellschaft gerungen werden. Die dabei entstehenden Konflikte werden mit Worten anstatt mit Gewalt geführt. Respekt gegenüber den gewählten Volksvertreter:innen, der unabhängigen Justiz und freien Presse hält Demokratien aufrecht – Gesellschaften, in denen Menschen in Würde und Freiheit leben können.
Wie also können wir ein respektvolles Miteinander hochhalten? Zum Beispiel indem wir aufeinander zugehen, uns füreinander öffnen, Vorurteile abbauen. Indem wir zuhören, Argumente austauschen und versuchen, andere Perspektiven zu verstehen – nicht nur durch den Filter unserer eigenen Wünsche oder Ängste. Indem wir Dissens aushalten und gemeinsam nach Lösungen suchen. Indem wir uns selbst immer wieder hinterfragen und unsere Haltung weiterentwickeln, anstatt auf dem eigenen Standpunkt zu beharren. Indem sich Politiker und öffentliche Personen ihres Einflusses auf das gesellschaftliche Miteinander bewusstwerden, ihre Vorbildfunktion ernstnehmen und sich bemühen, dieser gerecht zu werden. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Wichtig finde ich: Respekt beginnt im Kleinen – damit, wie ich meinem Nachbarn und dem Kassierer im Supermarkt begegne, ob ich Bitte und Danke sage, ob ich meinen Müll liegen lasse oder im Mülleimer entsorge.
In Tutzing sind für mich unsere Akademien große Schätze, wo Meinungsvielfalt und ein respektvolles Miteinander gelebt werden. Die Evangelische Akademie Tutzing möchte ein Ort sein, an denen sich unterschiedliche Menschen begegnen und in einen respektvollen Diskurs miteinander treten, z. B. über gesellschaftlichen Zusammenhalt, Migration, die Klimakrise und viele weitere Themen. Dazu möchte ich Sie herzlich einladen! Vielleicht wagen Sie sich auch in Ihrem persönlichen Umfeld an Themen, die Sie sonst eher vermeiden – mit der explizit eingeführten Gesprächsregel Respekt und einem stets verfügbaren Notausgang: agree to disagree.
Über die Autorin
Dr. Nadja Bürgle ist Studienleiterin für Soziales, Bildung und Arbeit in der Evangelischen Akademie Tutzing
Hinweis: Dieser Text ist in der Dezemberausgabe 2025 der “Tutzinger Nachrichten” erschienen. Zum kompletten PDF des Dezemberhefts geht es hier.
Bild: Studienleiterin Nadja Bürgle während der Tagungsarbeit: Hier auf bei einem Podiumsgespräch bei der Tagung “Werte – Klebstoff der Gesellschaft?”
(Foto: dgr/eat archiv)

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