“A must“, „ä massdd“ übersetzt Gerhard Polt unnachahmlich, wenn etwas „ein Muss“ ist. So was wie die Ferien, wie der Urlaub. Entspannung, Erholung vom Alltagsgetriebe ‚muss sein’. Millionen fiebern drauf hin, nun mal ‚die Seele baumeln zu lassen’. Und weil Millionen fest überzeugt sind, dass das nur woanders geht, also ‚raus aus dem gewöhnlichen Alltag’, fahren sie fort, beseelt vom ‚außergewöhnlichen Traumparadies im Süden’ (das nicht Wenigen auch im hohen mittsommersonnigen Norden scheint).
Nein, lassen wir das mal mit den Staus, mit den aberwitzigen Ökobilanzen des globalen Tourismus, mit der obskuren Dekadenz, dass für die Touris weltweit die schönsten Strände und Oasen vom irritierenden Elend der jeweiligen (oft von Diktaturen geplagten) Enklaven ‚separiert’ werden. Die Devisenbringer sollen nicht mit der oft genug perversen Realität konfrontiert werden. Lassen wir auch die deswegen oppositionellen Versuche, ganz in der Nähe zu bleiben oder im Agrartourismus, besser noch als Kurzzeitsennerfamilie auf einer Alm nachhaltig wie ganzheitlich das puristische ganz Andere zu (er)leben.
Auch Ferien und Urlaub eignen sich zur Konkurrenz, zum Wettbewerb um Kilometer oder Exotik, Abenteuer und Event, Darben wie Klotzen. Wie freilich kommt man aus dem „a must“, aus dem „ä massdd“ raus? Der Berliner Flaneur, Feuilletonschreiber und in einer unorthodoxen Dreierbeziehung lebende Franz Hessel (man kennt vielleicht den französischen Spielfilm ‚Jules und Jim’) schrie einmal über das deutsche Modell: „Hierzulande muss man müssen, sonst darf man nicht!“. Genau das scheint der wunde Punkt zu sein: wie kommt man vom ‚müssen’ zum ‚dürfen’?
Zu diesen zwei sog. Hilfswörtern gehören noch zwei weitere: können und wollen. Zusammen bildet dieses Quartett müssen können wollen dürfen die komplette Fundamentalontologie, also nicht weniger als die vier Eckfahnen des Spielfeldes unseres (Da)Seins. Wir alle sind diesen vier Hilfsverben unterworfen. Ja, so sehr wir aus Lust am liebsten das Wollen mit dem Dürfen kurzschließen möchten, so sehr werden wir von klein an eingeübt, aus dem Müssen ein Können zu ‚generieren’.
Genug der Reflexionsqual. Ferien, Urlaub, laisser faîre? Nichts tun, sich treiben lassen wie ein Tier, einfach nur sein, dem blinden somatischen Impuls der Lust oder der Langeweile oder der Faulheit folgen … – Wer, wie schafft man es vom Müssen Können zum Wollen Dürfen? Das ist die majestätische Frage vom August, dem kaiserlichen Monat, dem Hochsommer. Urlaub, Ferien, wenn alle Arbeit ruht, wenn alle Kreatur befreit ist von der Fron, nützlich zu sein – biblisches Urbild der messianischen Welt im sabbathanischen Frieden. Einen schönen Urlaub, glückliche Ferien! An den sog. Montagsautos lässt sich dann ermessen, wie suboptimal mitunter der Wechsel vom Wochenende oder von den Werksferien in die Alltagsproduktion, vom Reich der Freiheiten ins Reich der Notwendigkeiten, vom vielleicht mühsam errungenen oder unversehens zugefallenen Dürfen retour ins käfighafte Müssen fällt.
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