Himmel & Erde

Wer die Wahl hat… – Ein Wort zum Montag nach den Wahlen

Gestern waren Kommunalwahlen in Bayern: diese komischen Wahlen, wo man vor bedruckten Tapeten sitzt, auf denen Hunderte sich bewerben – und man kann die auch noch einzeln hervorheben oder gar streichen. Dem benötigten Zeitraum für die Auszählung nach zu urteilen, machen sehr viele Wählende davon Gebrauch – die letzten Ergebnisse werden wohl erst am Mittwoch vorliegen. Andererseits liegt die Wahlbeteiligung in vielen Orten unter 50 Prozent. Ist das zu fassen? Über die Hälfte hat kein Interesse! Kein Interesse, ob der Tunnel kommt oder nicht, kein Interesse, ob die Kindergartengebühren steigen oder nicht, kein Interesse, ob die Gemeinde ein Pflegeheim baut …

Nein, nein, werden Nichtwähler sagen, die Sachentscheidungen würden schon interessieren, aber diese schreckliche interessengeleitete Politik: “Die Politiker, denen ist doch allen nicht zu trauen” – ist einer der Gemeinplätze, die man von Nichtwählern gern hört. Oder: “Ich kann die Streiterei im Stadtrat nicht mehr mit anhören – die sollen doch alle nachhause gehen.”

Interesse ist eben nicht gleich Interesse: Interessieren darf man sich für die Dinge, und die dürfen auch interessant sein, aber Interessen zu verfolgen, ist irgendwie schlecht. Dabei ist das doch alles ein Wortstamm. Geben wir doch ruhig zu, dass es in den sozialen Mikrokosmen eher die kleinen Interessen als die großen Ideen sind, die uns leiten (so schon von Max Weber formuliert) – und das muss nichts Schlechtes sein. Interessen können handfest und pragmatisch, sie können schrittweise umsetzbar und auch anpassungsfähig sein. Und sie können – im Interesse der Sache – Koalitionen ermöglichen, die rein weltanschaulich gesehen gar nicht gingen. Also ich bin für eine interessegeleitete Politik, wenn sie sich wirklich interessiert für Menschen und für Themen: Wenn sie beobachtet, Schlussfolgerungen zieht, nach Bündnispartnern sucht, Lösungen anstrebt. Dahinter können größere weltanschauliche Ideen stecken – z.B. Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit oder Recht auf Selbstbestimmung –, aber manchmal geht es vielleicht wirklich “nur” um Lärmschutz oder Arbeitsplätze. Konflikte zwischen Interessen sind vorprogrammiert und sie sind auch notwendig, damit sich Kräfte ausbalancieren und Kompromisse gefunden werden. Es lebe das Interesse – allerdings unter zwei Voraussetzungen: Stellen wir uns selbst immer wieder in Frage nach dem Motto “auch ich handele interessengeleitet” und vergessen wir nicht das Interesse am Gegenüber. Den anderen wahrnehmen und wertschätzen ist sicher eine gute Grundlage – gerade in der Politik.

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