Von Prof. Wolfgang Zacharias und Hanna-Lena Neuser
Unsere vor allem kindlichen und jugendlichen Spiel- und Lernwelten verändern sich derzeit rasant. Das menschliche „Urphänomen Spiel“ als eine besondere auch anthropologische Konstante bleibt. Der „homo ludens“, der spielende Mensch, wurde von Johann Huizinga sogar als Ursprung der Kultur und der Künste beschrieben. Neugierig spielend, experimentell handelnd, mit und ohne Erfolg, Gewinn, Erkenntnis erobern sich vor allem die je nachwachsende Generationen Welt und Wirklichkeit. Dies ist ein permanenter Lern- und Erfahrungsprozess, der auch noch Spaß macht, wenn er spielerisch, mit und ohne Regeln, drinnen und draußen, allein und mit anderen möglich ist.
Bei der Tagung 28./ 29./ 30.11.2014 in der Evangelischen Akademie Tutzing ging es im Kern um diese fundamentale Tatsache. Entsprechend der rasanten Dynamik der digitalen Spiel- und Lernwelten hieß der Untertitel der Tagung: Spielkulturen 2.0 zwischen Sinne und Cyber. Es wurde informiert und diskutiert und ebenso ganz konkret gespielt und experimentiert – sowohl „analog“ mit materiellen und körperbetonten Spielen aller Art wie auch mit digitalen, computer- und smartphonevermittelten „Games“. Ein sehr weites Feld. Eigentlich ist Aufwachsen heute, aber auch die kommunikativ-gesellschaftliche Wirklichkeit ohne diese „realvirtuelle“ Dimension nicht mehr vorstellbar und für die Nachwachsenden eine Selbstverständlichkeit.
Und damit wird dies zu einer sowohl sozialen und kulturellen wie auch pädagogischen und medienbildenden Herausforderung. Dies ist dann auch die Chance einer neuen Aufwertung des Spieles des „homo ludens digitalis“. Denn gerade im digitalen Spiel erschließt sich diese zunächst ja völlig undurchschaubare und unsichtbare Welt. Sie wird erlebbar, emotional und konkret illustriert erfahrbar und (inter-)aktiv behandelbar: als Spiel. Die Faszination an digitalen Spielen, ihre inzwischen unendliche Themenvielfalt und ästhetische Erscheinungsform, ist eindeutig und intensiv wahrnehmbar, übrigens inzwischen auch ein relevanter Wirtschaftsfaktor.
Für den kultur- und medienpädagogischen Kontext ergeben sich dabei hochaktuelle und relevante Fragestellungen, z.B. in der Spannweite von ästhetisch-gestalterischen bis ethisch-moralischen Dimensionen. Eine entscheidende Frage ist dann vor allem auch die Chance des Lernens, die bildende Wirkungen und die Möglichkeiten mit digitalen Medien und spielerischen Methoden sowie Inhalten aller Art.
Eigentlich – so auch das vielfältig und aspektreich präsentierte und diskutierte Tagungsresümee – ist klar: Alle Erfahrungs-, Lern- und Bildungskontexte, von Familie über soziale Gemeinschaften, Freundesszenen bis Schule können vom spielerischen Lernen und dessen sowohl informativen wie unterhaltsamen Qualitäten profitieren. Und dies gilt es nun weiterhin intensiv zu entwickeln, zu qualifizieren sowie in vielerlei bürgerschaftlichen wie institutionellen Organisationsformen zu fördern und zu etablieren – auch wenn dies althergebrachte, etwa schulische Traditionen deutlich verändern wird.
Bei der Tagung in Tutzing mit vielen Einrichtungen und Projekten als Balance kooperativer, vernetzter Spiel-, Lern-, Bildungslandschaften wurden vielerlei Praxisbeispiele ausgetauscht. Denn darum wird es vor allem in Zukunft gehen: Wie wird dieses Feld praktisch und nach Möglichkeit „mit und für alle“ – also inklusiv, aktivierend, partizipative – professionell organisiert und realisiert? Daran gilt es gemeinsam zu arbeiten, sich auszutauschen, Wissen zu vermitteln und Handlungskompetenzen zu verbreiten.
Und eins wurde auch klar, gerade entsprechend der Expansion des digitalen Lernens und Spielens: Die spielerische und experimentelle Erfahrung des Realen, des Sinnlichen und Authentischen wird sozusagen balancierend und komplementär immer wichtiger. Dazu braucht es Initiativen, Angebote, Spiel- und Freiräume insbesondere im öffentlichen Raum und in kommunaler Verantwortung. Es geht dabei darum, das Recht der Kinder auf Kultur und Spiel und als selbstbestimmte Lern- und Freizeitchance sowohl im realen wie im digitalen Raum zu verwirklichen – entsprechend der UN-Kinderrechtskonvention. Eben die ist auch ein sozialer und politischer Auftrag, den die Tagung in Tutzing intensiv betonte und zu stärken versuchte.
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