Ein Text von Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland.
Die Angst vor der Altersarmut rangiert bei den Ängsten der Deutschen auf einem der ersten Plätze. Verwunderlich ist das nicht. Denn seit Jahren sind die Renten hierzulande im Sinkflug. Gerade in der Generation 50plus befürchten immer mehr, dass die Rente im Alter nicht reichen wird.
Jahr für Jahr steigen die Zahlen der Grundsicherungsbezieher unter den Rentnerinnen und Rentnern. Knapp 465.000 über 65-Jährige müssen in Deutschland „aufs Amt gehen”, weil die Rente nicht zum Leben reicht. Das sind 6,6 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Und es ist nicht absehbar, dass dieser Trend gestoppt wird. Aktuelle Zahlen aus dem Bundesarbeitsministerium besagen, dass die Ausgaben für Grundsicherungsleistungen im Alter und bei Erwerbsminderung von heute 5,5 Milliarden Euro auf voraussichtlich 7,1 Milliarden Euro im Jahr 2018 steigen werden.
Vor allem alleinstehende alte Frauen sind in großer Gefahr, in die Altersarmut abzurutschen. Eine kleine Witwenrente reicht eben einfach nicht aus, um über die Runden zu kommen. Dennoch versuchen diese Frauen, so lange wie möglich keinem zur Last zu fallen. Den eigenen Kindern nicht und dem Staat schon gar nicht. Wir wissen, dass die aktuelle Zahl von 465.000 Grundsicherungsbeziehern nur die Spitze des Eisbergs ist. Denn weitaus mehr Menschen hätten ein Anrecht auf Grundsicherungsleistungen. Aber aus Scham oder vielleicht auch Unwissen stellen sie keinen Antrag. So geht die Stadt München beispielsweise davon aus, dass mindestens 10.000 Menschen über 65 in der Stadt leben, die ihren Anspruch nicht geltend machen.
Manche von ihnen arbeiten, so lange es geht, um ihre Rente aufzubessern. Die Zahl der Minijobber im Rentenalter steigt jedenfalls seit Jahren an. Manche Politiker wollen uns glauben lassen, dass die 830.000 Minijobber, die wir gerade in Deutschland zählen, vor allem zu ihrem eigenen Vergnügen arbeiten. Doch ein Blick in die Liste der typischen Tätigkeiten der jobbenden Rentner sollte sie eines Besseren belehren: Wachdienst in Nachtschicht, Regale auffüllen im Supermarkt, Zeitungen austragen im Morgengrauen, Putzen von Bürogebäuden. Diese Tätigkeiten versprechen wenig Prestige, wenig soziale Kontakte und kein schnell verdientes Geld.
Und so sehr zu begrüßen ist, dass die Mindestlohnausnahmen für Rentner, die im Gespräch waren, vom Tisch sind: Auch ein künftiger Stundenlohn von 8,50 Euro ändert nichts am grundlegenden Problem, dass die Rente eben für immer weniger Menschen zum Leben reicht.
Der Sozialverband VdK kann es sich zugutehalten, dass das Thema Altersarmut im öffentlichen und politischen Bewusstsein angekommen ist. Die Anhebung der Mütterrenten für Frauen, die vor 1992 Kinder geboren haben, ist ein Ergebnis dieses Einsatzes. Wir bleiben allerdings bei unserer Forderung nach einer kompletten Angleichung der Mütterrenten. Denn auch nach der Neuregelung bleibt eine Gerechtigkeitslücke, weil für nach 1992 geborene Kinder drei, für vor 1992 geborene Kinder aber nur zwei Jahre für Kindererziehung auf die Rente angerechnet werden.
Die Angleichung der Mütterrenten ist aber nur eine von mehreren notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Altersarmut. Mehrere Ansatzpunkte müssen nach Meinung des VdK verfolgt werden. Zum einen muss Schluss damit sein, für das Ziel der Beitragsstabilität, das
Rentenniveau permanent abzusenken. Dafür müssen die Rentendämpfungsfaktoren abgeschafft werden. Wir fordern die Rückkehr zum Prinzip, dass Löhne und Renten parallel steigen. Die Dämpfungsfaktoren in der Rentenformel sind dafür verantwortlich, dass es in den letzten Jahren nur zu minimalen Rentenanpassungen und mehreren Nullrunden kam. Die Rentenentwicklung läuft deshalb der Lohnentwicklung seit vielen Jahren weit hinterher. Und das, obwohl auch die Lohnentwicklung in Deutschland längst nicht die gute Wirtschaftslage der letzten Jahre abbildet. Für viele ist heute schon eine Rente unter Grundsicherungsniveau Realität.
Auch in der Arbeitsmarktpolitik gilt es, an einigen Schrauben zu drehen. Die gute Arbeitslosenstatistik darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Menschen zwar eine Arbeit, aber nur schlechte Jobs haben. Minijobs, Teilzeit oder Leiharbeit sind jedoch Gift für die eigene Altersvorsorge. Nur ein gutes und stabiles Arbeitseinkommen garantiert durch entsprechende Beiträge eine auskömmliche Rente. Denn trotz aller Aufrufe zur Privatvorsorge ist und bleibt die staatliche Rente für viele die wichtigste und oft einzige Einkommensquelle im Alter.
Die Rentenversicherung genießt in der Bevölkerung immer noch großes Vertrauen. Während für Banken Rettungsschirme aufgespannt werden mussten, hat die Deutsche Rentenversicherung solide gewirtschaftet. Dieser schon oft als verstaubtes Relikt der Adenauerzeit belächelte Teil unseres sozialen Sicherungssystems ist deshalb unfallfrei durch schwere Zeiten der Eurokrise gekommen. Wir fordern die Bundesregierung auf, mit einer verlässlichen Rentenpolitik für Vertrauen und Sicherheit statt für Angst vor Altersarmut zu sorgen. Immer mehr Rentnerinnen und Rentner haben das Gefühl, dass sie behandelt werden, als würden sie aus lauter Gnade eine Rente bekommen und dass ihre Lebensleistung im Alter nichts mehr wert ist. Das darf nicht sein. Die Politik darf das Vertrauen der Menschen nicht noch weiter verspielen.
Bild: Ulrike Mascher / © VdK
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