Himmel & Erde

Ein Wort zum Montag

“Oh Papa ist der geil!” jauchzt der Steppke; “Dess sagt man net!“ pssstet der Vater. „Dann halt cool, denn Cool ist dem Geil sein Freund.“ So standen sie wie der ganze kleine Auflauf von Fans um ein obskures Objekt von Begierde namens: Porsche 550 Spyder. Ein Auto, so was von schön! Unfassbar, unbeschreiblich. Seine Proportionen tanzen, schmusen sich einem in die Seele. Das formidable Kleid, ein einziger zarter Schwung aus Alublech. Das feurige Herz, ein 1500 Kubik Vierzylinder-Boxer – seine 110 PS treiben die 550 Kilo luftige mecha-nische Skulptur auf 220 Sachen. Hinter einer kleinen, fast elliptischen Panoramascheibe ver-schwisterten sich Flow und Wind geschwind. 115 Exemplare hat Porsche von dieser Asphalt-orgel gebaut. Heute muss man 2,5 Millionen Euro hinlegen. Da hatte es ein junger Bursche 1955 noch gut: er gab seinen Porsche 356 Speedster, legte 7000 Dollar drauf, nahm denn Rennwagen mit Straßenzulassung gleich mit, um sich schon eine Woche später auf den Weg zu einem Autorennen zu machen. Vorne hat der Heißsporn „130“ auf die Haube gemalt, das Heck zierte „Little Bastard“. Wer den Porsche fuhr? Ein gewisser James Dean. Ob er auch ein Radio an Bord hatte? Wenn, dann hätte er gewiss Steppenwolf gehört: 

„Get your motor runnin’ / Head out on the highway / Looking for adventure / In whatever comes our way — Yeah darlin’ / Gonna make it happen / Take the world in a love embrace / Fire all your guns at once / And explode into space – I like smoke and lightnin’ / heavy metal thunder / Racing in the wind / And the feeling I’m under — Yeah darlin’ / …– Like a true na-ture’s child / We were born / Born to be wild / We can climb so high / I never wonna die / Born to be wild / Born to be wild / … Get your motor runnin’ / … — Yeah darlin’ / … — Like a true nature’s child / … Born to be wild.“

Es war der Highway 46 und es war Samstagnachmittag am 30. September 1955 gegen 17.30.

James Dean am Steuer und der Mechaniker Rolf Wüterich als Beifahrer strahlten schnurstracks geradeaus, als ein gewisser Donald Turnupseed seinen getunten Ford Tudor vom Highway 41 in den Highway 46 lenkt. „Ich habe in nicht gesehen, bei Gott, ich habe ihn nicht gesehen“ wird der 23jährige Student zu Protokoll geben. James Dean war tot, Rolf Wüterich überlebte schwer verletzt, wurde aber später depressiv, stach 1967 seine Frau nieder und verunglückte 1981 tödlich. Turnupseed, unverletzt, hatte nur einen Schock. James Dean aber gilt bis heute als unsterbliche Ikone des Cool. Dabei war der Schauspieler vom Kultfilm Giganten ein sensibler Typ, der zwar auf Rennstrecken gern raste, in einem Werbespot indes im öffentlichen Straßenverkehr zu Defensive und Vorsicht riet. Dennoch ist James Dean mit seinem Porsche ein Symbol für eine aufbegehrende Jugend, für eben das ‚Ausschau halten, das sich freuen auf Abenteuer’. James Dean, ein Mythos, ein Ikarus der Landstraße?

Jenseits von Eden, so schon im 19ten Jahrhundert die Mythologie von Hermann Usener, gebe es unter einem vermeintlich leeren Himmel ohne Gott nur noch Augenblicksgötter. In ihnen würde etwas Göttliches human aufscheinen und sogleich verlöschen. James Dean verkörperte, nicht anders als vielleicht Gandhi, Martin Luther King, Cassius Clay, Joan Baez, Bob Dylan oder auch Brian Jones, Jim Morrison, Janis Joplin, Jimi Hendrix, Kurt Cobain und Amy Winehouse, die schnell lebten und 27 Jahre jung starben („welcome to heaven club twenty-se-ven“) mit seiner magischen, auratischen Dezenz (auch sein Porsche ist ein zierliches Gefährt, ein feingliedriges Geschöpf) weniger eine wilde als vielmehr milde, weiche Sinnlichkeit. Anders als es die von den Fans konzedierte Coolness nahe legt, waren und sind diese Augenblicksgötter alles andere als kalt, hartgesotten, schmerzunempfindlich. Vielmehr sind sie Sympathieträger, denen Gewalt nicht nur suspekt ist, sondern die sie eigentlich stellvertretend wie der leidende Gerechte auf sich nehmen. Zu ihren Verhaltenslehren der Kälte gehört, nicht zufällig durch Musik als einer Art transzendentaler Akustik und Gewaltfreiheit sichtbar dargestellt, ein Festhalten an der Liebe. Oder mit den Doors gerockt: come on Baby light my fire! Diese Ikonen des Cool werben für echte Gefühle, für Tagträume und machen der Phantasie, der Hoffnung Flügel. Die Augenblicksgötter sind zerstörlich wie alle Zärtlichen; sie sind tragische Helden wider alles Kriegerische. Sie singen, dichten, streiten, spielen, dichten, malen, tanzen, rauschen, feiern, liebkosen und demonstrieren für Freedom, Love & Peace. Von wegen ‚alle Mann Marsch!“ Lieber ein Happening. Born to be wild? Auf jeden Fall born to perform: Wie lässt sich friedlich eine rebellische Haltung ästhetisch, expressiv, emanzipatorisch gewinnen? Und sei es noch so bleiern: Wie findet man (s)einen Stil, der Schwere der Notwendigkeiten die Erscheinungsweise von Leichtigkeit zu stiften – so ähnlich, wie die Mode ein heiles Kleid dem wunden Leib überstreift? Nicht zuletzt gehört zu jenen Augenblicksgöttern der Sex. Wie kann die Lust, das flüchtige Tier, aus den Entstellungen von Inquisition und Prostitution befreit, ja rehabilitiert werden? Wo cool drauf steht, geht es hitzig zu. Wo Pop ist, da ist vorne?    

„Get your motor runnin’ / Head out on the highway / Looking for adventure / In whatever comes our way — Yeah darlin’ / Gonna make it happen / Take the world in a love embrace / Fire all your guns at once / And explode into space – I like smoke and lightnin’ / heavy metal thunder / Racing in the wind / And the feeling I’m under — Yeah darlin’ / …– Like a true nature’s child / We were born / Born to be wild / We can climb so high / I never wonna die / Born to be wild / Born to be wild / … Get your motor runnin’ / … — Yeah darlin’ / … — Like a true nature’s child / … Born to be wild.“

Die Unschuld von James Dean, im Porsche auszubüchsen, die Utopie zu erfahren, haben wir im fossilen Desaster verloren. Wie schaut Jenseits von Eden das born to be wild eines true nature’s child heute aus? Wie ein Spaziergang? Oder 60 Jahre nach James Dean gefragt: Wer rast, ist der auf der Flucht, oder sucht er eine Zuflucht? Wie lässt sich der Mythos von Ikarus als Märchen mit Happyend erzählen?

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